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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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Tränen geantwortet habe. Ihm mißfiel dies höchlich; doch dachte er, es wäre wohlgetan, ehe man in den Unterhandlungen über ihre Vermählung einen weitern Schritt tue, um sich nicht irgendwie in Verlegenheit zu setzen, sich auf Kundschaft zu legen, was denn ihre Ansicht von der Sache eigentlich sei. Er ließ sie daher eines Tages vor sich kommen und sagte zu ihr: Giulietta (denn das war der Name seiner Tochter), ich bin im Begriff, dich standesgemäß zu vermählen. Bist du damit zufrieden, mein Kind?
    Die Tochter hatte eine Weile geschwiegen, nachdem der Vater zu sprechen aufgehört, antwortete aber sodann: Nein, mein Vater, ich bin nicht damit zufrieden. Wie? versetzte der Vater, willst du denn in ein Nonnenkloster gehen?
    Messere, sagte sie, ich weiß nicht.
    Bei diesen Worten vergoß sie einen Strom von Tränen. Da sprach der Vater zu ihr: Aber ich weiß es, daß du das nicht willst. Beruhige dich also, denn ich beabsichtige, dich mit einem Grafen von Lodrone zu vermählen.
    Darauf versetzte die Tochter heftig weinend: Das wird nimmermehr geschehen.
    Messer Antonio war darüber erzürnt und bedrohte sie heftig, wenn sie seinem Willen ferner zu widersprechen sich erkühne, und überdies, wenn sie ihm den Grund ihres Weinens nicht offenbare. Da er aber nichts aus ihr herausbrachte als Tränen, war er über die Maßen unwillig und ließ sie mit Madonna Giovanna allein, ohne zu erfahren, auf was der Sinn seiner Tochter gerichtet sei.
    Die junge Frau hatte dem Diener ihres Vaters, welcher Mitwisser ihrer Liebe war und Pietro hieß, alles, was ihre Mutter gesprochen hatte, wiedergesagt und vor ihm eidlich beteuert, daß sie eher freiwillig Gift trinken wolle, als je einen andern als Romeo zum Gemahl nehmen, was ja gar nicht möglich wäre. Hiervon hatte Pietro insgeheim verabredetermaßen Romeo durch den Mönch benachrichtigt, und dieser hatte an Giulietta geschrieben, sie solle um keinen Preis in ihre Vermählung einwilligen und noch weniger ihre Liebe gestehen, denn er werde höchstwahrscheinlich in acht bis zehn Tagen Gelegenheit haben, sie aus ihrem elterlichen Hause zu entführen.
    Messere Antonio und Madonna Giovanna bemühten sich unterdes gemeinsam vergeblich, durch Schmeicheleien und durch Drohungen von ihrer Tochter die Ursache zu erfahren, warum sie nicht heiraten wolle, und gelangten auch sonst nicht auf die Spur eines Liebesverhältnisses. Oftmals hatte Madonna Giovanna zu ihr gesagt: Sieh, meine süße Tochter, weine jetzt nicht mehr: denn du bekommst ja einen Gemahl nach deinem Wunsch; ja, du tust fast so, wie wenn es einer von den Montecchi wäre, aus denen du, wie ich überzeugt bin, keinen wählen wirst.
    Giulietta aber antwortete nie mit etwas anderem als mit Seufzern und Tränen. Dadurch kamen die Eltern in immer größere Besorgnis und faßten den Entschluß, ihre verabredete Vermählung mit dem Grafen von Lodrone so sehr als möglich zu beschleunigen. Als die junge Frau dies hörte, wurde sie über die Maßen betrübt und wünschte in ihrer Ratlosigkeit sich tausendmal des Tages den Tod herbei. Doch beschloß sie bei sich selbst, ihren Schmerz dem Bruder Lorenzo mitzuteilen, da sie nächst Romeo auf ihn die größte Hoffnung setzte, und da sie von ihrem Geliebten gehört hatte, daß er viele unglaubliche Dinge zu bewerkstelligen verstehe. Daher sagte sie eines Tages zu Madonna Giovanna: Meine Mutter, wundert Euch nicht, wenn ich Euch die Ursache meines Weinens nicht sage, denn ich kenne sie selbst nicht; ich fühle nur beständig in meinem Innern eine solche Schwermut, daß mir alles miteinander, ja das Leben selbst zuwider ist; und ich kann mir nicht vorstellen, woher das rührt, viel weniger es Euch oder meinem Vater sagen, es müßte denn von einer begangenen Sünde herrühren, deren ich mich nicht erinnere. Da nun die letzte Beichte mich sehr erleichtert hat, so möchte ich, wenn Ihr nichts dagegen habt, wieder zur Beichte gehen, damit ich an dem nächstbevorstehenden großen Feste im Mai zur Heilung aller meiner Schmerzen die liebliche Arznei des geheiligten Leibes unseres Herrn empfangen kann.
    Madonna Giovanna erklärte sich hiermit einverstanden. Zwei Tage darauf führte sie sie nach San Francesco und übergab sie dem Bruder Lorenzo, den sie zuvor schon dringend gebeten hatte, er möge die Ursache ihres Weinens in der Beichte erforschen. Sobald die junge Frau sah, daß ihre Mutter sich etwas von ihr entfernt hatte, erzählte sie in aller Schnelle mit niedergeschlagener Stimme dem

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