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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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Abendessens, als die Zofe zu ihm zurückkehrte, das Fensterchen öffnete, den Baron begrüßte und zu ihm sagte: »Herr Albert, ich will das Garn abholen, das Ihr gesponnen habt, damit ich weiß, was ich Euch für ein Abendbrot bringen darf.«
    War der Baron schon vorher böse gewesen, so bemächtigte sich seiner nunmehr der wildeste Grimm, und er begann ihr die ärgsten Schimpfreden von der Welt zu sagen, die man irgendeinem Weibe von schlechtem Lebenswandel gesagt hat, und das Mädchen unanständig anzufahren, indem er sich herausließ, wie wenn er in Freiheit und auf einem seiner Schlösser wäre. Die von ihrer Gebieterin unterwiesene Zofe entgegnete lachend: »Herr Albert, Ihr tut meiner Treu nicht wohl daran, so das große Wort wider mich zu führen und mir solchen Schimpf anzutun; denn solcher Wahnsinn hilft Euch da drinnen gar nichts. Ihr wißt ja doch das Sprichwort, daß der Knecht für den Herrn nichts kann. Meine Herrin will von Euch wissen, was Euch hierhergeführt hat, und ob irgend jemand Mitwisser Eures Kommens ist. Das müßt Ihr mir noch außer dem Spinnen sagen. Es ist mit Euch so weit gekommen, daß Euch das Messer an der Kehle steht, und Ihr verliert unnötigerweise Zeit und Mühe, wenn Ihr Euch einbildet oder bestrebt, ohne gesponnen und gebeichtet zu haben, von hinnen zu entkommen. Ergebt Euch also geduldig in Euer Schicksal, das einmal nicht zu ändern ist und wogegen es keine Abhilfe gibt; wollt Ihr Euch andere Gedanken machen, so gebt Ihr Euch wahrlich unnötige Mühe. Es ist fest und unwiderruflich beschlossen, daß Ihr sonst nichts zu essen bekommt, außer ein wenig Brot und Wasser, wenn Ihr nicht spinnt und sagt, ob jemand um den Zweck Eures Hierherkommens weiß. Wollt Ihr leben, so zeigt mir Faden und sagt, wie die Sache sich verhält; wo nicht, so bleibt Ihr hier.«
    Als sie sah, daß er keinen Faden hatte noch auch bereit war, ihre Frage zu beantworten, schloß sie das Türchen, und der zum Unglück gekommene Baron empfing an diesem Abend weder Brot noch Wein, so daß er, weil es sich mit leerem Magen schlecht zu schlafen pflegt, in der Nacht kein Auge zutat. Solange nun der Baron in diesem Gemache gefangensaß, wurden auf Befehl der Burgfrau auch die Diener und Pferde Herrn Alberts geschickt und heimlich hingehalten und nebst seinen Sachen an einem sichern Orte untergebracht, wo sie mit allem wohlversorgt wurden und ihnen nichts als die Freiheit mangelte. Öffentlich ließ sie das Gerücht verbreiten, Herr Albert sei nach Ungarn zurückgekehrt.
    Wenden wir uns nun zurück zu dem böhmischen Ritter! Sobald er wußte, daß einer der beiden anmaßlichen Ungarn den Hof verlassen und sich nach Böhmen aufgemacht hatte, betrachtete er tagtäglich sein bezaubertes Bild, um zu sehen, ob es die Farbe verändere. In den drei bis vier Tagen nun, wo der Ungar die Frau zu überreden strebte, wurde es jedesmal in den Stunden, wo er bei ihr war, gelb; gleich darauf aber gewann es seine natürliche Farbe wieder. Sobald er sah, daß es sich nicht mehr veränderte, hielt er es für sicher, daß der ungarische Baron abgewiesen worden sei und nichts ausgerichtet habe. Er fühlte sich dadurch außerordentlich befriedigt und meinte, der Sittsamkeit seiner Frau völlig versichert sein zu können. Doch war er noch nicht ganz ruhig und sein Herz nicht durchaus zufriedengestellt, aus Besorgnis, Herr Wladislaw, der noch gar nicht abgereist war, könnte glücklicher sein als sein Genosse und erobern, was der andere nicht zu erreichen verstanden habe.
    Der eingesperrte Baron hatte den Tag vor seiner Einkerkerung nicht geschlafen und die Nacht über nicht geschlafen; als nun der Morgen anbrach, beschloß er, nachdem er seine Lage vielfältig überdacht und erkannt hatte, daß es kein anderes Mittel gebe, sich zu befreien, als wenn er der Frau gehorche, aus der Not eine Tugend zu machen. Er zog es also vor, um sein Leben zu fristen, die mit seinem Genossen, dem Ritter, getroffene Verabredung zu offenbaren und den Rocken vorzunehmen und zu spinnen. Zwar hatte er noch nie gesponnen; aber die Not ist ein guter Lehrmeister, und so fing er an; er ergriff besser, als er sich dachte, die Spindel, um zu spinnen, spann bald dick, bald zart, und auch von mittlerer Gattung, freilich ein so unförmliches Garn, daß jeder, der es sah, gewiß darüber lachen mußte. Er mühte sich nun mit dieser Beschäftigung den ganzen Morgen ab, und als es Mittag geworden war, siehe, da kam dieselbe Zofe wieder, öffnete das Fensterlein und

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