Italienische Novellen, Band 1
zuletzt erklärte der Böhme in Gegenwart des Königs und der Königin, durch die Verwegenheit der beiden Ungarn von neuem angereizt: »Dieweil denn Herr Wladislaw und Herr Albert« (so hießen die zwei Ungarn) »also dringend verlangen, ihr Wagnis zu bestehen, bin ich, wofern es mit Eurer Huld und Gunst geschehen kann, ehrfurchtgebietender König und gnädigste Königin, ihrem Begehren zu willfahren bereit.«
»Und was uns betrifft«, versetzten die Ungarn, »so bestätigen wir neuerdings, was wir gesagt haben.«
Der König bestrebte sich zwar wiederholt, die Zwistigkeit beizulegen; von den zwei Ungarn aber unablässig gedrängt, ließ er am Ende über die Bedingungen des Vertrags eine königliche Verordnung ausfertigen, die er eigenhändig vollzog. Als die beiden Barone den königlichen Erlaß sahen, nahmen sie davon eine Abschrift, und ebenso tat der Böhme. Die beiden Ungarn brachten ihre Angelegenheiten in Ordnung und beschlossen unter sich, Herr Albert solle zuerst sein Glück versuchen bei der Dame, und nach sechs Wochen solle auch Herr Wladislaw hingehen.
Herr Albert ging mit zwei Dienern ab und begab sich geradeswegs nach dem Schlosse des Böhmen. Dort angelangt stieg er in einer Herberge des Dorfes ab, zog Erkundigungen über die Frau ein und hörte, daß sie sehr schön und über die Maßen ehrbar sei und ihren Gatten über alles in der Welt liebe. Dessenungeachtet ließ er sich nicht abschrecken, sondern legte tags darauf reiche Kleider an und wanderte nach dem Schlosse, wo er der Dame sagen ließ, daß er ihr aufzuwarten wünsche. Anmutreich, wie sie war, ließ sie ihn eintreten und empfing ihn auf das freundlichste. Der Baron erstaunte sehr über die Schönheit und die Reize der Dame und über die ehrbare und feine Sitte, die ihr eigen war. Als sie sich sodann gesetzt hatten, sagte er, der Ruf ihrer hohen Schönheit habe ihn bewogen, den Hof zu verlassen und hierher zu kommen, sie zu sehen, und er finde sie in Wahrheit noch unendlich schöner und lieblicher, als er habe erwarten können. Und mit dem begann er, ihr viel eitle Dinge vorzuschwatzen, so daß sie bald merkte, auf was es losgehe und welchem Ziel sein Schifflein zusteuere. Deshalb strebte sie, ihn allmählich treuherzig zu machen und auf verliebte Reden zu bringen, damit er desto eher in seinen Hafen einlaufe. Der Baron, der eben nicht war, was er sich einbildete, sondern unerfahren und leichtgläubig genug, hörte nicht auf zu schwatzen, bis er damit herausplatzte, daß er heftig in sie verliebt sei. Die Frau tat zwar allerdings spröde gegen sein Geschwätz, unterließ aber nicht, sich freundlich gegen ihn zu bezeugen, so daß der Ungar in zwei bis drei Tagen gar nichts tat, als sie mit seiner Liebe bestürmen.
Die Dame sah bald, daß sie es mit einem kaum flügge gewordenen Vogel zu tun hatte, und setzte sich daher vor, ihm einen solchen Streich zu spielen, daß er immer an sie denken solle. Bald darauf gab sie sich nämlich das Ansehen, als könne sie seinen Angriffen nicht länger widerstehen, und sprach zu ihm: »Herr Albert, ich glaube, Ihr seid ein großer Zauberer; denn ich fühle mich gedrungen, Euren Willen zu tun, und will mir dabei nur so viel ausbedungen haben, daß mein Gatte es nicht erfahre, der mich sonst ganz sicher töten würde. Und daß sich dessen niemand im Hause versehe, mögt Ihr morgen, wie es Eure Gewohnheit ist, zur Essenszeit auf das Schloß kommen, Euch aber weder hier noch sonstwo aufhalten, sondern heimlich in das Gemach im Hauptturme gehen, über dessen Tür das Wappen des Königreichs in Marmor ausgehauen ist, und den Eingang hinter Euch verschließen. Ihr sollt das Gemach offen finden; ich komme dann bald auch hin, und wir können nach, bester Bequemlichkeit und ohne von jemand bemerkt zu werden (denn ich will sorgen, daß niemand in der Nähe ist) unserer Liebe uns freuen und uns die Zeit vertreiben.«
Dieses Gemach war aber ein sehr festes Gefängnis, das in alten Zeiten gerade dazu gemacht war, um Edelleute darin festzuhalten, die man nicht umbringen, sondern lebenslänglich gefangenhalten wollte.
Mit dieser seiner Meinung nach äußerst günstigen Antwort hielt sich der Baron für den zufriedensten und glücklichsten Mann von der Welt und hätte mit keinem Könige tauschen mögen. Er dankte daher der Frau, so gut er wußte und konnte, schied von ihr und ging nach seiner Herberge zurück, das Herz von unendlicher Freude erfüllt.
Am folgenden Tage zu der anberaumten Stunde erschien der Baron
Weitere Kostenlose Bücher