Italienische Novellen, Band 2
auf der Straße auf mich mit Fingern als auf die Buhlerin des Königs zeigt. Tausendmal habe ich sagen hören, und Ihr habt es mir auch gesagt, daß die Ehre weit höher geschätzt werden muß als das Leben; und gewiß, das Leben ohne Ehre ist wie ein schimpflicher, schmachvoller Tod. Verhüte Gott, daß ich je die Buhldirne irgend jemandes auf der Welt werde, und daß ich etwas im geheimen tue, was, wenn es nachher offenbar würde, Veranlassung werden könnte, daß ich die Farbe wechseln muß! Sagt mir, Vater, wie stünde es um Eure Ehre, wenn ich etwas Unsittsames mir zuschulden kommen ließe, und wenn Ihr, durch die Stadt oder an Hof gehend, den Pöbel sagen hörtet: ›Dies ist der Vater von der und der; das ist der, der seine Tochter verkauft hat und dadurch an Rang und Reichtümern gewachsen ist.‹ Glaubtet Ihr etwa, eine so große Missetat dürfte verborgen bleiben? Und wenn die Leute aus Furcht nicht den Mund zu öffnen wagten, wer hielte ihre Hände zurück, Zettel zu schreiben und auf den Straßen umherzustreuen und sie an allen Ecken der Stadt anzuheften? Als der König, wie ich habe sagen hören, seinem Oheim, dem Lord Kent, und bald darauf Roger von Mortimer den Kopf abschlagen und die Mutter im Kerker sterben ließ, wurden Blätter an den Straßen angeheftet zum Tadel des Königs; und obschon er heftig darüber zürnte und einige enthaupten ließ, die er in Verdacht hatte, Verfasser dieser Schriften zu sein, blieben nicht doch bei alledem viele übrig, welche Lust hatten, übel von ihm zu reden, und die andere Schriften auf verschiedenen Wegen ausstreuten? Denkt nur, daß man von Euch und von mir die schimpflichsten Dinge von der Welt sagen würde! Aber setzen wir den Fall, daß die Sache geheim bliebe: wißt Ihr nicht, daß alle Männer und namentlich vornehme Herren heute nach der einen und morgen nach einer andern Wünsche fassen, wie ihnen gerade das Gelüste kommt? Lassen wir die Sünde gegen Gott beiseite, wiewohl dies das erste ist, was man vor Augen haben muß, wenn wir vernünftige Geschöpfe und nicht Tiere sein wollen; aber ich weiß, wenn der König meiner satt und dieser wollüstige Kitzel bei ihm vorübergegangen ist, der gewöhnlich gar leicht vorüberzugehen und sich abzukühlen pflegt bei allen Menschen, sobald sie ihre Besinnung wiedererlangt haben, so wird er mich für das achten, wozu Ihr mich habt machen wollen: für eine Sudeldirne. Wenn ich sodann mich auch versichert und vergewissert habe, daß er mich lange und sehr glühend heben müsse, – muß ich nicht denken, daß dieses Verfahren einmal ein Ende nehmen muß, wie ja unter diesem wechselnden Monde nichts ist, das nicht sein Ende fände? Dreht die Sache demnach, nach welcher Seite Ihr wollt, – ich sehe darin nichts Gutes. Ich merke dabei wohl, daß ich den Rest meines Lebens in meinem Gesicht mit etwas anderem geschmückt wäre als mit Perlen und Edelsteinen und nie wieder wagen dürfte, mich öffentlich sehen zu lassen. In betreff dessen sodann, daß Ihr sagtet, Ihr habet ihm Euer Wort verpfändet, so habt Ihr nicht in Betracht gezogen, wie weit bei einer solchen Angelegenheit die Gewalt des Vaters über die Kinder sich erstreckt: denn diese sind nicht verbunden, bei Dingen, die wider Gott laufen, den Eltern zu gehorchen. Überdies sind so unkeusche und blutschänderische Zusagen ungültig, und bei sündhafterweise gegebenen Versprechungen ist es Pflicht, das gegebene Wort zu brechen. Ich bekenne, daß ich Eure Tochter und verpflichtet bin, sooft Ihr mir befehlt, Euch zu gehorchen, aber nur in erlaubten und ehrenhaften Fällen. Auch erinnere ich Euch, obgleich Ihr es besser wißt als ich, daß Ihr und ich und alle andern, die da waren, sind und sein werden, einen Vater und Herrn haben, wie ich oftmals von wackern und angesehenen Predigern auf den Kanzeln in den Kirchen habe versichern hören, welchen wir mehr verpflichtet sind zu gehorchen als unsern leiblichen Vätern. Überdies erinnere ich Euch, daß es niemand, wer es auch sei, erlaubt ist, Gesetze und Verordnungen zu geben, die mit den göttlichen Vorschriften und Gesetzen im Widerspruche stehen. Da Ihr nun in der schmählichen Sache, zu deren Ausführung Ihr mich ermahnt, ganz offenbar gegen Gott Euch empört, – wie könnt Ihr verlangen, daß ich Euch gehorche und nicht viel lieber gegen Euch mich empöre und tödliche Feindschaft fasse? Hegt daher andere Gedanken, wenn Ihr wollt, daß ich Euch als meinen Vater ansehe und ehre, wie man gute Eltern ehren muß, so
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