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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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seid für die Zukunft nie mehr so kühn, mich um eine solche Niederträchtigkeit anzugehen, noch gegen mich ein einziges Wort darüber zu verlieren: denn, beim Kreuz des Erlösers, ich würde Euch vor aller Welt dafür diejenige Ehre erzeigen, die Ihr verdient! Aber Gott verhüte, daß es dahin komme! Oh, wieviel besser wäre es gewesen, Ihr hättet dem König versprochen und geschworen, mich lieber eigenhändig mit einem Messer zu entleiben, als mich je in ein so verabscheuungswürdiges Verbrechen fallen zulassen! Das hätte Euch mehr Ehre gebracht und wäre für Euch viel leichter ausführbar gewesen; auch hätte sicherlich der König und ich Euch darum viel höher gehalten und geachtet, und die Welt, die die Ursache meines Todes erfahren hätte, würde Euch ewig mit den echtesten Lobsprüchen zum Himmel erhoben haben. Um nun diese Reden zu beschließen, die mir den größten Unwillen rege machen und deren Gedächtnis mir immer die Quelle des herbsten Grams sein wird, – dies ist mein letzter, fester, nach reiflicher Überlegung gefaßter Entschluß, den Ihr für so wahr halten dürft wie das Evangelium: daß ich eher bereit bin, mich umbringen zu lassen und jegliche Qual zu erdulden, als daß ich je zu etwas Unzüchtigem meine Einwilligung gebe; und wenn der König gewaltsam mit mir einen wollüstigen Genuß haben will, so will ich es schon veranstalten, daß seine und aller andern Gewalt umsonst ist, und will immer im Gedächtnis behalten, daß ein schöner Tod das ganze frühere Leben ehrt.«
    Der Vater erkannte aus der klugen und edelmütigen Antwort der Tochter die Tugendstärke und Seelengröße, die in ihr wohnten, und gab ihr in seinem Herzen viele Lobsprüche und segnete sie, indem er sie viel höher achtete als zuvor. Er meinte auch, er habe ausführlicher und mehr gesprochen, als einem Vater zieme, zu seiner Tochter zu sprechen, und wollte daher auch ihr für jetzt nichts weiter sagen, sondern stand von seinem Sitze auf und ließ sie ihren Geschäften nachgehen. Er bedachte sodann und überlegte reiflich, was er dem König antworten sollte, und ging dann an den Hof.
    »Sire«, sagte er, »ich wollte nicht verfehlen, mein Euch gegebenes Wort zu halten, und schwöre Euch daher bei der Treue, die ich Gott und Euch schuldig bin, daß ich, zu Hause angelangt, Alix auf mein Zimmer gefordert und ihr Euern Willen auseinandergesetzt habe, mit der Ermahnung, sie solle sich dazu verstehen, Euch zu Willen zu sein. Aber sie hat mir nach vielen Überlegungen aufs entschiedenste geantwortet, daß sie eher entschlossen sei, zu sterben, als je etwas Unanständiges zu begehen; und sonst konnte ich nichts aus ihr herausbringen. Ihr wißt, daß ich Euch sagte, ich könne sie bitten, aber keineswegs zwingen. Da ich also ausgeführt habe, was mir von Euch auferlegt worden ist und wozu ich mich verpflichtet habe, will ich mit Eurer Gunst weggehen, um ein Geschäft auf einem meiner Schlösser zu besorgen.«
    Der König entließ ihn und blieb ganz außer sich zurück, verschiedene Dinge in Gedanken umherwälzend. Der Graf verließ den Hof und ging am folgenden Tage mit seinen Söhnen in seine Grafschaft, während seine Gattin und Tochter mit einem Teile der Dienerschaft in London zurückblieben. Er dachte darüber nach, wie es möglich sei, sich aus dieser Angelegenheit loszulösen, ohne die Ungnade des Königs auf sich zu laden. Er wollte die Tochter nicht fortführen, um nicht den König noch ärgerlicher zu stimmen, als er es schon war, und auch um ihm zu verstehen zu gehen, daß er sie seinem Zartgefühl überlasse; denn er hielt es für sicher, daß er keinerlei Gewalt anwenden werde. Außerdem hatte er großes Vertrauen auf die Sittsamkeit und Seelengröße seiner Tochter, von der er dachte, sie werde sich so gut zu verteidigen wissen, daß sie mit Ehren aus einer so großen Gefahr hervorgehen werde.
    Der König andererseits erfuhr nicht so bald, daß der Graf London verlassen habe und Alix daselbst zurückgeblieben sei, als er das Ganze richtig durchschaute. Er geriet daher in solche Verzweiflung über diese seine Liebe, daß er nahe daran war, verrückt zu werden. Alle Tage und Nächte gingen ihm gleichmäßig ruhelos hin; er aß nichts oder wenig, lachte nie, seufzte immer, entzog sich, soviel ihm möglich war, der Gesellschaft und schloß sich allein in sein Gemach ein, wobei er an nichts weiter dachte als an die grausame Sprödigkeit seiner Dame, denn Sprödigkeit nannte er ihre wackere, unerschütterliche

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