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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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Anstrengung von meiner Seite ihre Wohltat anzuerkennen und zu sterben, damit sie leben. Seht, ich bin bereit, mit Euch den König aufzusuchen, damit wir beide ohne fremde Vermittelung unsere Angelegenheiten abmachen: denn wir werden dies besser tun als irgend jemand sonst. Wir wollen jetzt keine Zeit mehr verlieren, nicht mehr weinen, sondern uns an die Ausführung dessen machen, was zu tun ist.«
    Als ihre Mutter diese unerwartete und unverhoffte Antwort hörte, war sie so erfüllt von Freude, daß sie fast nicht glauben konnte, diese Worte gehört zu haben. Und nachdem kurz zuvor die Herbheit des Schmerzes sie außer sich gebracht hatte, war sie nun fast wieder ebendahin gebracht aus Übermaß ihrer Freude. Sie hob daher beide Hände gen Himmel und dankte Gott aufrichtig, daß er der Tochter Willen so gelenkt habe, als gäbe Gott Ehebruch und Hurerei ein. O wie töricht sind doch so oft die unglücklichen und unwissenden Sterblichen, die lachen, wo sie weinen sollten, die sich betrüben, wo sie heiter sein dürften! So machte es auch diese gute Frau, die, indem sie Kupplerin ihrer Tochter wurde, Gott ein Opfer zu bringen vermeinte. Sie umarmte sie daher zärtlich, weinte vor Freude, küßte sie vielmals und konnte sich nicht von ihrem Halse losreißen.
    Es war gerade der Monat Juni und die Mittagsstunde, wo wegen der Hitze viele Leute zu schlafen pflegen. In dieser Zeit ließ die Gräfin eine kleine Barke bereit machen, um zu Wasser nach dem Garten des Königs zu kommen, von dem ich bereits gesprochen habe, und wohin er sich damals zurückgezogen hatte, um mehr allein und ungestört zu sein. Alix ging inzwischen in ihr Gemach, kleidete sich aber nicht anders an, als sie bereits war, sondern nahm ihr scharfes Messer und hängte es unter ihren Gewändern an einen Gürtel; darauf trat sie vor ein Bild, das die Königin des Himmels, die Mutter Gottes und die Zuflucht der Bedrängten, darstellte, wie sie in ihren Armen das Bild ihres allerliebsten Söhnleins hielt, sank auf die Kniee und bat sie inbrünstig, ihren Sohn ihr günstig zu stimmen, damit sie ihr keusches Vorhaben durchzuführen imstande sei. Dann stand sie voll Vertrauen und Standhaftigkeit auf und wandte sich zu der harrenden Mutter, die schon alles hatte vorbereiten lassen. Der Garten des Hauses des Grafen Richard stieß an die Themse, und es war daselbst eine Tür, an der die Barke hielt. Dorthin ging die Gräfin mit Alix und mit zwei Fräulein, und sie stiegen alle in die Barke, die von zwei Dienern geleitet war, und flußabwärts schwimmend gelangte das kleine Fahrzeug an den Rand des königlichen Gartens. Das Gestade war so eingerichtet, daß man durch eine einzige Tür hinaufsteigen konnte; die ganze übrige Umgebung war von hohen Mauern eingeschlossen. Die Tür war kurz zuvor von dem Kämmerer geöffnet worden, der um die Liebe des Königs wußte, und dieser war um dieselbe Zeit ganz allein am Ufer des Flusses; er hatte sich, um besser über seine Liebe nachzudenken, von seinen Hofleuten heimlich entfernt und nicht weit davon unter kühlem Schatten auf duftigen Kräutern niedergelassen. Der Kämmerer saß der geöffneten Tür gegenüber unter Gebüschen, teils um die frische Luft zu genießen, die von den gekräuselten Gewässern sanft herwehte, und andererseits, damit niemand hereinkomme. Als nun die Frauen diesen Ort erreicht hatten, stiegen sie am Uferrande des Flusses aus und befahlen den Barkenführern, sich nicht mit der Barke von hier zu entfernen. Dann stiegen sie einige Stufen empor und traten in die Tür. Als der Kämmerer sie sah und die Gräfin erkannte, wunderte er sich sehr; aber noch viel mehr nahm ihn wunder, als er die schöne Alix erblickte. Er ging ihnen daher entgegen, empfing sie ehrerbietig, grüßte sie und fragte sie, was sie tun wollten.
    »Wir sind gekommen«, sagte die Gräfin, »um dem gnädigsten König, unserm Herrn, aufzuwarten, da er eben erst Euch erklärt hat, daß er mich dazu zwingen werde.« Voll unendlicher Freude ließ der Kämmerer die beiden Diener mit ihrem Fahrzeug in eine kleine Bucht fahren, wo der König seine Barken verschlossen hatte, riegelte die Gartentür zu und machte sich im Gespräche mit der Gräfin nach der Stelle, wo der König saß, auf den Weg. Wie schon bemerkt worden ist, saß in diesem Augenblick der König im Schatten unter Gedanken über die Grausamkeit und Härte der Alix. Zugleich betrachtete er mit den Augen des Geistes ihre reizende Schönheit, die ihm die schönste und wundervollste

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