Italienische Novellen, Band 2
gewähren Euch verpflichtet habt, besteht darin, daß ich Euch von ganzem Herzen bitte und inständig anflehe, daß Ihr mir meine Ehre nicht nehmen wollet, sondern daß Euch lieber gefalle, mit Euerm Degen mir dieses hinfällige und gebrechliche Leben zu nehmen, damit, wenn ich bisher standesgemäß unbescholten gelebt habe, ich auch standesgemäß in Ehren sterbe. Wenn ich diese Gnade von Euch erlange, daß Ihr mich eher ermordet, als daß Ihr mir meine Ehre nehmt, so bitte ich Gott, unsern Herrn, daß er Euch stets glücklich erhalten möge und Euch völlige Genüge aller Eurer Wünsche gebe. Andererseits aber gelobe ich Gott und verspreche Euch aufrichtig, wenn Ihr mir das Versprechen nicht haltet, daß ich mich selbst mit diesem scharfen Messer umbringen und daß ich nie zugeben werde, solange ein Atemzug in mir ist, daß man mich mit Gewalt schände. Bedenkt, Sire, daß Ihr das, was Ihr von mir begehrt, von tausend und aber tausend andern schönen Frauen ohne Schwierigkeit erlangen könnt: denn sie werden Euch willig gefällig sein, – während ich aufs festeste entschlossen bin, lieber das Leben verlieren zu wollen als Ehre und guten Namen. Und wie groß wird Euer Vergnügen sein, wenn Ihr klar einseht, wenn Ihr mit Gewalt mir das entreißt, was Ihr so sehr zu verlangen scheint, daß Ihr nur meinen Körper unter Eurer Herrschaft habt, nicht aber meinen Geist noch meinen Willen, die Euch immer Widerstand leisten, ja Euch hassen werden, solange ich lebe, und die nicht aufhören sollen, die Rache Gottes für Euch anzusprechen. Aber Gottes Güte verhüte, daß Ihr mir Gewalt antuet! Bedenkt, Sire, bedenkt, daß Euer wollüstiger Genuß vorübergehen wird wie ein Nebel vor dem Winde, um Euch immer die Reue zurückzulassen und einen stechenden Wurm im Herzen wegen der schimpflichen Schmach der an mir verübten Gewalttat, einen Wurm, der nie aufhören wird, Euch zu nagen und zu peinigen! Ferner wird die abscheuliche Schande und die tadelnswürdige Beschimpfung, die Ihr auf die Reinheit meiner Sittsamkeit werfet, nebst meinem daraus erfolgenden frühzeitigen Tod Euern Namen mit ewigen Vorwürfen und unaufhörlicher Verrufenheit belasten. Und glaubt nicht, daß der Ruf dieser Übeltat sich nur in die Grenzen Englands und der benachbarten Inseln verschließen werde; vielmehr wird er den Ozean überschreiten, durch ganz Europa, ja über die ganze Welt mit dem lautesten Schrei die Ungerechtigkeit und Grausamkeit eines so hohen Fürsten, wie Ihr seid, verbreiten; und in den kommenden Jahrhunderten wird die Sage davon den Nachkommen Eure Schmach vergrößern, während sie Euch bei Euern Lebzeiten mit Schanden in das Gerede der Leute bringt. Kaum eine Sekunde Zeit wird Eure Freude einnehmen, während die Schande davon an jedem Ort, wo Menschen wohnen, und zu jeder Zeit gepredigt werden wird; und nicht allein werdet Ihr getadelt werden, sondern auch Eure Nachkommen werden den Makel davon an sich tragen. Wollt Ihr, daß man sage, ich, die aus edelstem und hehrem Blut geboren bin, einem alten und untadeligen Geschlecht angehöre, deren Verwandte, Ahnen und Urahnen für Englands Krone so oftmals ihr Blut verspritzt haben, ich sei von Euch überwältigt und zur Metze gemacht worden? Erinnert Ihr Euch nicht, wie viele Ihr bestraft habt, die mit freier Einstimmung Ehebruch getrieben haben? Und jetzt wollt Ihr selbst in die Verirrung verfallen, die Ihr selbst so streng gezüchtigt habt? Erinnert Euch, daß mein Gemahl in Euern Diensten gestorben ist, der Euch so treu und ergeben war; und gewiß, obschon er tot ist, wird er bei Gott nach Gerechtigkeit gegen Euch schreien. Ist das also der Lohn, den Ihr ihm bereit haltet, das der Ersatz, den er für seine Mühsale erwarten könnte, wenn er noch am Leben wäre? Aber, um zum Schluß zu kommen, mein Gebieter, tut nun eines von beiden: haltet mir entweder, was Ihr mir durch Wort und Eid zu halten Euch verpflichtet habt, oder raubt mir wenigstens nicht dasjenige, was Ihr, wenn Ihr mir es entwendet habt, mir nie mehr erstatten könnt, welche Macht und Schätze Ihr auch besitzet! Was von beiden Ihr auch tun möget, ich bin von Euch so wohl befriedigt, als sich nur sagen läßt. Was denkt Ihr, Herr? Was beabsichtigt Ihr? Entweder haltet mir das Versprechen, oder zücket Euern Degen und bringt mich um! Hier ist die Kehle, hier ist die Brust! Was zaudert Ihr?«
Indem sie dies sprach, breitete sie unerschüttert den schneeweißen, schönen Hals mit dem Marmorbusen vor dem König aus und bat ihn
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