Italienische Novellen, Band 2
eben die Schmeichelei. Es gefällt mir auch nicht, daß ein Hofmann, so vornehm er auch sei, sich je herausnehme, den Fürsten öffentlich zu tadeln und in Gegenwart anderer mit ihm zu keifen. Ich versichere, daß jeder treue Diener, wenn er seinen Herrn im Irrtum sieht, mit Gewandtheit und Ehrerbietung und mit Wahrnehmung der schicklichen Zeit ihn ermahnen und mit sanftem anständigen Betragen zur Annahme der Wahrheit geeignet machen soll. O wie viel besser daran, wie viel glücklicher wären die Fürsten, wenn ihnen einer freimütig von vielen Dingen, die sie tun, den daraus erfolgenden Schaden zeigte, die Meinung, die das Volk von ihnen hegt, was das Gerücht von ihnen sagt, und die schlechte Verwaltung ihrer Minister, die auf nichts anderes hinarbeiten, als den Staatsschatz zu berauben und alles zum eigenen Nutzen zu verwenden! Wenn die Fürsten diese Dinge einsähen, würden ihre Besitzungen vortrefflich regiert sein. Es ist freilich nicht zu zweifeln, daß unser Herr und Heiland Jesus Christus alles wußte, was die Völker von ihm sagten: denn er wußte bis ins kleinste alles, und nie war ihm etwas verborgen; und doch verschmähte er nicht, seine Jünger zu fragen, was die Leute von ihm sagten. Und warum, glaubt ihr, hat er eine solche Frage gestellt ? Aus keinem andern Grunde (dafür zeugt uns jede seiner Handlungen), als um denen, die die Völker lenken, und allen andern Gläubigen eine Weisung zu erteilen, daß sie bemüht sein sollen, zu vernehmen, welche Meinung man von ihnen hat, damit sie im Guten beharren und vom Bösen sich abwenden können. Und in Wahrheit, die Fürsten brauchen sonst nichts, als daß sie redliche, aufrichtige und tugendhafte Personen haben, die ihnen liebreich, ungeschminkt und ungeheuchelt die Wahrheit sagen. Solche Leute sollten sie immer bei sich haben und nicht tun wollen, wie viele tun, welche glauben, aus einer Pflaume eine Pomeranze, ich will nicht sagen aus einem Esel einen Renner, zu machen. Aber ich bin gar zu sehr abgeschweift; denn von Kindheit auf bin ich immer an sehr viele Höfe gekommen und weiß gar wohl, wie es daselbst zuzugehen pflegt. Ich sage also, die Hofleute beim König Eduard waren keine von der guten Schule, sondern Schmeichler und Leute von geringem Urteil und grundschlechtem Wesen; darum predigten sie, ohne der Sache auf den Grund zu gehen, alle den Kreuzzug gegen den Grafen Richard, seine Frau, Söhne und Tochter, und die am meisten Schlimmes sagten, hielten sich am höchsten und meinten, gar weise geredet zu haben, die vielleicht, wenn der Graf oder seine Söhne dabei gegenwärtig gewesen wären, großenteils die Zunge im Hals und hinter den Zähnen gehalten und, wie man im Sprichwort sagt, den Schwanz zwischen die Reine genommen und nicht gewagt hätten, den Mund aufzutun. Das Ende war nun, daß die Mehrzahl von ihnen den König ermahnte, mit Gewalt Alix holen zu lassen, sie in den Palast zu bringen und wider ihren Willen seine Wünsche mit ihr zu befriedigen; denn es nehme sich doch nicht gut aus, meinten sie, wenn ein Weib ihres Königs spotten dürfe, und dem Begehren eines Herrschers zieme sich nicht solche Sprödigkeit entgegenzustellen. Dann waren auch noch andere solche da, die den Fisch gesehen hatten und sich erboten, selbst in Person ihn zu fangen; und wenn sie nicht gutwillig mitgehe, so wollten sie sie an den Haaren herbeischleppen. Der König, der den ernstlichen Zorn sich bis zuletzt aufsparte und noch nicht Gewalt gebrauchen wollte, gedachte, zuerst die Gesinnung der Mutter dieser Alix auf die Probe zu stellen, und schickte einen vertrauten Kämmerer zu ihr, der über alles vortrefflich unterrichtet war. Dieser suchte sogleich die Gräfin auf und sagte zu ihr nach den geziemenden Begrüßungen: »Der König, unser Herr, Frau Gräfin, grüßt Euch angelegentlichst und gibt Euch durch mich zu erkennen, daß er alles mögliche getan hat und vielleicht mehr, als ihm ziemte, um die Gunst und Liebe Eurer Tochter zu gewinnen und es so einzuleiten, daß alles insgeheim vor sich gehe und nicht in das Gerede der Leute komme. Da er nun sieht, daß er diesen seinen Wunsch nicht erreichen kann, was er auch tut und getan hat, und daß er keine ausreichende Befriedigung findet, wenn er hier nicht Gewalt gebraucht, so läßt er Euch melden, daß, wenn Ihr nicht für Eure Angelegenheiten sorgt und darauf hinwirkt, daß er seinen Zweck erreicht, Ihr versichert sein könnt, daß er Euch zum Trotz öffentlich und ohne Rücksicht auf Euer aller Ehre die
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