Italienische Novellen, Band 2
Ihr mit mir Euch den Genuß verschafft, wonach Ihr, wie Ihr zeigt, so sehr trachtet, will ich mich durch die Erfahrung vergewissern, ob Eure Liebe zu mir so glühend ist, wie Ihr mir in so vielen Briefen geschrieben, wie Ihr mir noch weit öfter mündlich habt sagen lassen. Und wenn es so ist, wie Ihr mich glauben machen wollt, so werdet Ihr mir eine kleine Gunst erzeigen, die Euch leicht ausführbar ein, mir aber die größte Freude machen wird, die ich je hoffen und erhalten könnte. Wenn nun das, was ich von Euch verlangen werde, Euch vielleicht hart und schwer ausführbar erscheinen wird, so will ich von Euch hören, ob Ihr es tun werdet oder nicht; sonst hofft nicht, daß ich, solange ich noch einen Hauch des Lebens in mir habe, Euch je in irgend etwas werde zu Willen sein! Erinnert Euch, mein König, an das, was Ihr schon zu Salisbury zu mir gesagt und nachher mir geschrieben und mitgeteilt habt, daß, wenn Ihr wüßtet, wie Ihr mir etwas Angenehmes erweisen könntet, ich Euch nicht so viel befehlen könnte, als nicht von Euch sogleich zur Ausführung gebracht würde. Nun befehle ich Euch nicht – denn das darf ich mir nie anmaßen –, vielmehr bitte ich Euch ganz untertänig und flehe, daß Ihr geruhen wollt, mir Euer Wort und Eure Ehre zu verpfänden, daß Ihr tun wollt, um was ich Euch anflehe, und erinnert Euch, daß Königswort nicht lügen noch eitel sein darf!«
Der König, der während ihrer Rede ihr fest in ihr schönes Gesicht geblickt hatte, und dem sie ohne Vergleich viel schöner und liebenswürdiger vorkam, als er sie je gesehen hatte, würde, als er sich nun so inständig anflehen hörte von diesem Munde, von dem er einen Kuß der Liebe so sehnlich wünschte, ihr nicht nur eine kleine Gnade, sondern das ganze Königreich versprochen haben. Er rief daher Gott und alle Heiligen des Paradieses zu Zeugen an für alles, was er ihr sagen und versprechen wolle, und antwortete ihr in folgender Gestalt: »Meine Einzige und von mir unendlich und über alles, was erschaffen ist, Geliebte, meine Gebieterin, da Ihr, Dank sei Euch dafür, geruht habt, hier in unser Haus zu kommen, und von mir verlangt, daß ich, ehe ich meinen Willen mit Euch erfülle, Euch eine Gnade erweise, bin ich bereit, Euern Wunsch zu tun, und schwöre Euch bei der Taufe, die ich auf dem Haupte habe, und bei aller Liebe, die ich für Euch hege – denn ein höheres Gelübde kann ich nicht ablegen –, daß ich alles, was Ihr mir zu tun anmutet, ohne Widerrede leisten will, vorausgesetzt, daß Ihr mir nicht befehlt, Euch nicht zu lieben, noch Euch, wie ich es bin und stets bleiben werde, ein rechtschaffener treuer Diener zu sein; denn wenn ich Euch dies auch verspräche und mit tausend und aber tausend Eiden bekräftigte, so könnte ich das doch niemals halten: so wenig der Mensch ohne Seele leben kann, könnte ich Euch zu lieben aufhören; und eher geschähen alle unmöglichen Dinge, als daß ich Euch nicht liebte. Verlanget daher kühn, was Euch beliebt: denn ich und mein Reich sind in Eurer Gewalt. Und wenn ich je daran denken sollte, Euch nicht zu halten, was Ihr von mir verlangt, wenn es doch in meiner Gewalt ist oder in der Gewalt irgendeines Menschen, der in meinem Reiche sich findet, so bitte ich Gott andächtig, daß er an dem Prinzen von Wales, Eduard, meinem Erstgebornen, und an meinen andern Söhnen oder an allem, was mir sonst teuer ist, mich ferner keine Freude mehr erleben lasse!«
Die schöne Alix wollte jetzt, obschon sie eingeladen ward, sich zu erheben, noch nicht aufstehen; sie faßte vielmehr knieend, wie sie war, sittsam die Hand des Königs und sprach also zu ihm: »Und ich, Sire, indem ich Euch die königliche Hand küsse, danke Euch für die Gnade, die Ihr mir erweiset, unendlich und bin Euch aufs höchste verpflichtet. Ich vertraue daher schuldigermaßen auf Euer königliches Wort und werde Euch um das Geschenk anflehen, das ich wünsche wie mein Leben.« Der König, der in der Tat gerührt war von aufrichtiger Liebe, und der Alix mehr liebte als seinen Augapfel, schwur ihr von neuem auf das eindringlichste, er wolle treu und ohne Arglist königlich alles leisten, was sie von ihm verlange. Indessen zog sie das schneidende Messer hervor, das eine mehr als zwei Spannen lange Klinge hatte, vergoß die heißesten Tränen, die ihr die schönen, rosigen Wangen netzten, und sagte in jammerndem Tone zum König, der voll Staunen und Verwunderung war: »Herr, das Geschenk, das ich von Euch verlange, und das Ihr mir zu
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