Italienische Novellen, Band 2
seines Bootsmanns untergebracht habe, und er schloß mit der Bitte, sie bis zur Veröffentlichung seiner Verbindung in ihr Haus bringen und unter ihren Schutz stellen zu dürfen, da er nicht wüßte, wo er sie ehrenhafter und sicherer unterbringen könnte, als wenn er sie ihren Händen übergäbe. Lionardo und seine Gattin waren über das seltsame und gefährliche Abenteuer ihrer Schwägerin im höchsten Grade erstaunt und meinten, er erzähle ihnen ein Märchen. Nachdem sie sich aber versichert hatten, daß die Sache so sei, wie sie gehört hatten, übernahmen sie sehr gern die Aufgabe, für ihre Schwägerin zu sorgen. Sie stiegen daher gemeinschaftlich in eine Gondel und begaben sich in das Haus des Bootsmanns, um Elena abzuholen, und führten sie in Lionardos Wohnung.
Was sollen wir nun aber von der trostlosen Amme sagen? Sie hatte mittlerweile Gerardos Rückkehr vernommen, wagte aber aus Verzweiflung über Elenas Verlust nicht, ihm vor die Augen zu treten.
Es vergingen nicht viele Tage nach Gerardos Rückkehr, als sein Vater mit ihm davon anfing, daß er ihn verheiraten wolle. Er entschuldigte sich aber immer mit seiner Jugend und gab vor, noch nicht die Stimmung gefunden zu haben, in der er seinen Nacken unter das Joch der Ehe beugen möge; es scheine ihm viel angemessener, seine Jugend in Freiheit zu genießen, wie sein Vater auch getan habe, der zur Zeit seiner Verheiratung viel älter war als er. Über diesen Verhandlungen zwischen Vater und Sohn vergingen mehrere Tage, und Gerardo versäumte fast nie, die Nacht in Wonne mit seiner Frau zuzubringen. Messer Paolo wußte nun, daß sein Sohn fast regelmäßig außer dem Hause schlief, wußte aber nicht, wo, und geriet nun auf die Vermutung, er weise wegen unerlaubten Umganges mit irgendeiner Buhlerin oder andern schlechten Frauensperson jede eheliche Verbindung von sich. Um diesen Verdacht zu entfernen und weil er auch seines Alters wegen ernstlich wünschte, ihn verheiratet zu sehen, rief er ihn eines Tages zu sich und redete ihn folgendermaßen an: »Ich habe dir schon vielmals zugeredet, Gerardo, du möchtest dir eine Frau nehmen, und du hast dich noch immer meinen Wünschen nicht bequemt. Da ich nun des Trostes nicht entbehren möchte, dein Schicksal vor meinem Ende bestimmt zu sehen, so fordere ich dich jetzt auf, mir zu sagen, ob du mir gehorchen willst oder nicht, auf daß ich weiß, was ich weiter zu tun habe. Wenn du dir nur irgendeine Frau nehmen willst, so will ich dir so weit entgegenkommen, daß mir eine jede recht sein soll, die du wählst. Lehnst du hingegen jede Heirat von dir ab, so schwöre ich dir bei dem Evangelium des Sankt Markus, ich nehme einen von den Söhnen Lionardos und deiner Schwester an Kindes Statt an und hinterlasse dir auch nicht einen roten Heller.«
Da Gerardo seines Vaters Angesicht sehr zornig werden sah, schien es ihm nicht mehr an der Zeit zu sein, das Geschehene verborgen zu halten. Er erzählte ihm darum mit wenigen Worten den Hergang seiner Verheiratung sowie den Scheintod und die Genesung seiner Gattin. Als Messer Paolo die Erzählung seines Sohnes hörte, meinte er zu träumen und konnte ihm erst gar keinen Glauben beimessen. Zuletzt aber, als er die Standhaftigkeit der Behauptung seines Sohnes sah, erklärte er, er wolle morgen nach dem Frühmahl durch Elenas Anblick sich von der Wahrheit überzeugen und werde, wenn dem wirklich so sei, gern alles billigen. Gerardo bat ihn sodann dafür, daß er sich ohne seine Erlaubnis verheiratet habe, um Verzeihung und erhielt diese denn von dem zärtlichen Vater auch ohne Schwierigkeit.
An demselben Tage besuchte Gerardo seine Gattin und eröffnete ihr, dem Schwager und der Schwester alles, was zwischen ihm und seinem Vater besprochen und beraten worden war. Am folgenden Tage nach dem Frühmahle gingen Messer Paolo und Gerardo zu Fuß auf dem Kai ohne alle Begleitung hin, um Elena zu besuchen. Sie kamen an die Türe und pochten, und es ward ihnen geöffnet. Kaum waren sie eingetreten, als Elena die Treppe herabeilte, dem Schwiegervater zu Füßen fiel und ihn unter Tränen um Verzeihung bat, daß sie, wenngleich ihm unbekannt, für ihn eine Ursache der Besorgnis oder des Kummers geworden sei. Der gute Greis weinte vor Rührung bei dem Anblick seiner wunderschönen Schwiegertochter, hob sie vom Boden auf, küßte und segnete sie und hieß sie als eine geliebte Tochter willkommen. Darauf stiegen sie die Treppen empor, und Messer Paolo blieb bei dem Eidam und der Tochter eine
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