Italienische Novellen, Band 2
er es über sich, standhaft zu bleiben.
Sobald es ihm aber möglich war, trennte er sich von seinen Schiffsgenossen und von denen, die ihm zu Ehren entgegengekommen waren und nun nach Venedig zurückkehrten, und er war entschlossen, keinesfalls seine geliebte Elena überleben zu wollen. Er hing der festen Meinung an, daß das unglückliche Weib sich vergiftet habe, um nicht einen Mann heiraten zu müssen, den ihr Vater ihr aufgedrungen. Ehe er jedoch sich vergiftete oder anderswie Hand an sein Leben legte, nahm er sich vor, da er auch noch nicht entschlossen war, welche Todesart er wählen solle, zuerst nach der Gruft hinzugehen, wo Elena lag, sie zu erbrechen, seine Gattin – wenn auch tot – nochmals zu sehen und dann an ihrer Seite gleichfalls zu sterben.
Da er aber nicht wußte, wie er allein mit der Öffnung der Gruft fertigwerden solle, gedachte er sich dem Bootsmann der Galeere, der sein vertrauter Freund war, anzuvertrauen und ihm die Geschichte seiner Liebe zu offenbaren. Er nahm ihn also beiseite und eröffnete ihm, was zwischen Elena und ihm vorgefallen war, und was er zu tun im Sinne habe, verschwieg jedoch die Absicht, sich zu töten. Der Bootsmann widerriet ihm zwar aus allen Kräften diesen Gang und das Aufbrechen der Begräbnisstätte wegen der Mißhelligkeiten, die es geben könnte; sobald er ihn aber fest dazu entschlossen sah, bot er ihm seinen Beistand an und versicherte ihn, daß er ihn nicht verlassen, sondern ein und dasselbe Schicksal mit ihm teilen werde. Sie bestiegen nun miteinander ohne weitere Begleitung eine Barke, übertrugen die Leitung der Galeere einem zuverlässigen Seemanne und stießen nach Venedig ab. Dann fuhren sie nach der Wohnung des Bootsmanns und versahen sich mit den zu ihrem Plane notwendigen Eisenwerkzeugen. Dann stiegen sie wieder in die Barke und ruderten nach Castello zum Patriarchat.
Es war ungefähr Mitternacht, als sie die Gruft öffneten. Nachdem sie den Deckel wieder geschlossen hatten, stieg Gerardo hinab und fiel über den Leichnam seiner Gattin herüber, so daß, wer sie beide gesehen hätte, kaum unterscheiden konnte, wer mehr einem Toten gleiche, der Mann oder die Frau. Als Gerardo darauf wieder zu sich kam, weinte er bitterlich und bedeckte Gesicht und Mund seiner Geliebten mit Tränen und Küssen. Der Bootsmann fürchtete immer, in dieser Arbeit von der Scharwache überrascht zu werden, und mahnte Gerardo wiederholt, hinauszugehen. Dieser aber vermochte nicht aufzustehen. Ja, Gerardo war so sehr außer sich, daß, als er von seinem Freund genötigt ward, fortzugehen, er trotz des Widerstrebens von Seiten des Bootsmanns seine Gattin mit sich hinwegnehmen wollte. Sie nahmen sie also sanft heraus, schlossen die Gruft und trugen die junge Frau in die Barke. Dort ließ sich Gerardo von neuem an ihrer Seite nieder und konnte nicht satt werden, sie zu umarmen und zu küssen. Der Bootsmann tadelte jedoch heftig diese Torheit, den toten Leichnam mit sichherumzuführen, ohne zu wissen, wohin; und am Ende gab Gerardo dem vernünftigen Zuspruche des Bootsmanns nach und beschloß, den Leichnam in die Gruft zurückzuschaffen. Als sie dann bereits die kleine Barke wieder dem Patriarchat zugewendet hatten und Gerardo sich noch immer nicht aus den Umarmungen der Frau losmachen konnte, kam es ihm vor, als spüre er eine gewisse Regung in ihr. Er sagte daher zu dem Bootsmann: »Mein teurer Freund, ich fühle etwas in ihr, was mich hoffen läßt, daß sie noch nicht tot ist.«
Eingedenk der häufig vorkommenden ähnlichen Fälle verwarf der Bootsmann durchaus nicht diesen Verdacht, sondern bog sich zu den Liebenden hinab, legte seine Hand unter die linke Brust der jungen Frau und fand auch in der Tat das Fleisch etwas lauwarm und fühlte ein schwaches Klopfen des Herzens.
»Herr«, sagte er darum zu Gerardo, »faßt hierher, und Ihr werdet finden, daß sie nicht ganz tot ist.«
Voller Freude über diese glückliche Kunde legte Gerardo ihr die Hand auf das Herz, welches immer stärker pochte, da die Natur die verirrten Lebensgeister zurückrufen wollte.
»In der Tat«, rief er, »sie lebt. Aber was fangen wir nun an?«
»Wir wollen schon fertigwerden«, versetzte der Bootsmann. »Seid nur getrosten Muts und unbesorgt, wir werden schon für alles Erforderliche Rat schaffen. In den Sarg darf sie auf keinen Fall zurückgebracht werden. Gehen wir in mein Haus, das nicht weit von hier ist! Ich habe meine Mutter bei mir, eine alte, erfahrene Frau.«
So begaben sie sich an
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