Italienische Novellen, Band 2
gute Weile und konnte nicht satt werden, mit Elena zu reden, die ihm in der Tat äußerst anmutig und klug im Gespräch und gewandt in ihren Antworten schien.
Binnen wenigen Tagen fand in einer benachbarten Kirche ein sehr schönes Fest statt. Messer Paolo wollte, daß mit demselben zugleich die Hochzeit gefeiert und Elena reich gekleidet zur Messe geführt und dann ehrenvoll nach Hause geleitet werde. Er traf alle nötigen Veranstaltungen und lud viele Frauen ein, denen man sagen ließ, die Braut sei eine Fremde. Gerardo lud auch seinen in das Geheimnis eingeweihten Bootsmann und einige Edelleute aus den besten Häusern ein, welche alle meinten, die Braut sei eine Ausländerin. Am bezeichneten Tage führten sie sie also zur Messe mit großem Pomp und Gepränge. Von allen, die sie sahen, wurde sie für die schönste Jungfrau in Venedig gehalten, und niemand war, der sie nicht mit großer Verwunderung betrachtet hätte.
Der Zufall fügte es nun, daß eben der junge Mann, dem Elenas Vater sie anfänglich zum Weibe versprochen hatte, mit einem seiner vertrauten Freunde, der auch bei ihm gewesen war, als er einst sonnabends bei Elena Brautschau gehalten, zu gleicher Zeit in der Kirche war. Beide betrachteten, wie es so zu geschehen pflegt, die junge Braut mit großer Aufmerksamkeit, priesen sie als außerordentlich schön und konnten nicht umhin, zwischen ihr und der verstorbenen Elena eine auffallende Ähnlichkeit wahrzunehmen. Sie hefteten daher ihre Blicke um so fester auf sie, als wollten sie sie mit den Augen verschlingen. Da die junge Frau sich dessen versah und die beiden Jünglinge wieder erkannte, war sie nicht imstande, sich eines Lächelns zu erwehren und dann anderwärts hinzublicken. Die beiden Freunde fanden darin eine Bestätigung ihres Argwohns, daß Elena die Braut sei. Sie verließen daher die Kirche und begaben sich geradeswegs nach dem Patriarchat, wo sie nicht nachließen, bis der Patriarch ihnen verstattete, die Gruft zu öffnen, in der Elena beigesetzt worden war. Da sie dort weder Fleisch noch Knochen vorfanden, machten die beiden Jünglinge ein gewaltiges Aufsehen in der Stadt, drangen in das Haus, wo die Hochzeit gehalten wurde, und verlangten Elena zu erhalten, indem sie behaupteten, sie sei einem von ihnen von ihrem Vater versprochen worden. Es kam daher zu heftigem Wortwechsel, und Gerardo und sein Nebenbuhler bestellten einander auf zwanzig Uhr mit Schwert und Schild auf einen der gewöhnlichen Kampfplätze der Venezianer. Als aber die Sache zur Kenntnis des Rates der Zehn gelangte, wurden die Waffen verboten und bestimmt, daß die Sache auf dem Rechtswege zu erledigen sei. Vor Gericht wußte freilich der zu spät gekommene Freier nichts weiter für sich anzuführen als das Versprechen des Vaters, und da Gerardo durch die Amme bewies, daß er sie geheiratet und die Ehe vollzogen habe, auch Elena selbst dies bekräftigte, erfolgte der Spruch, sie sei Gerardos rechtmäßige Frau.
Sobald Messer Pietro, der während dieser Vorgänge von Venedig abwesend war, diese Nachricht hörte, nahm er, da er Gerardo als einen edeln und reichen jungen Mann kannte, ihn nicht allein als Schwiegersohn, sondern als Sohn an, so daß der wackere Gerardo aus einem reichen Manne ein sehr reicher wurde und lange in Frieden und Freude mit seiner Elena lebte, wobei er oftmals mit ihr und der teuern Amme des vergangenen Mißgeschicks gedachte, das nur ein kleiner Teil ihres Schadens war: denn nun ging es stets besser.
Die Herzogin von Savoyen
Es bestand in Spanien bittere Feindschaft und blutiger Krieg zwischen zwei sehr edeln Geschlechtern, nämlich zwischen den Häusern der Mendozzi und der Toledo. Beide waren sehr reich und mächtig durch Güter und Vasallen. Oft und viel hatten sie gegeneinander gekämpft, und auf beiden Seiten hatten viele Menschen den Tod gefunden. Jetzt aber war Zwietracht und Fehde zwischen ihnen weit heftiger als je, der Haß hatte sich tief in ihre Herzen eingefressen, und es fand sich kein Mittel, ihn beizulegen. Nun begab es sich, daß Don Giovanni von Mendozza, ein sehr reicher und äußerst mutvoller Jüngling, das Haupt der Seinigen war, und daß beide Parteien einander mit zahlreichen Scharen schlagfertig gegenüberstanden. Die Schwester Don Giovannis, die Witwe eines edeln Spaniers, hatte sich zu ihrem Bruder zurückgezogen, und als sie diese bösen Nachrichten erfuhr, bat sie Gott, zwischen den beiden Parteien Frieden zu stiften und so vielem Elende doch ein Ende zu setzen. Als
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