Italienische Novellen, Band 2
allgemeine und einstimmige Urteil aller, die ihn kennen, es nicht versicherte. Von seiner Mannhaftigkeit und seinen andern Eigenschaften, wie sie einem ausgezeichneten Ritter geziemen, zu reden, schickt sich für mich als seine Schwester nicht; wenn Ihr aber davon selbst mit seinen Feinden reden würdet, so könntet Ihr sie alle sagen hören, daß er ein mannhafter und vollkommener Ritter ist.«
Die Herzogin war von Liebe zu dem Ritter schon etwas entzündet durch die Worte, die sie früher im Wagen sitzend vernommen hatte, und wünschte über die Maßen ihn zu sehen. Als sie nun aber auf diese Weise seine Schwester ihn so entschieden loben hörte, öffnete sie ihre Brust weit für die Flammen der Liebe und ließ sich so innig davon durchglühen, daß sie ganz entzündet ward und an nichts anderes mehr dachte, als wie sie Don Giovanni zu Gesicht bekommen könne, und sie vertiefte sich in diese Gedanken so, daß sie gar häufig fast ganz außer sich kam. In ihrem eigenen Sinne fand sie keine Abhilfe für solche Not, und je hoffnungsloser sie war, um so mehr verlangte sie, den Ritter zu sehen; daher beschloß sie, eine ihrer ergebensten Kammerfrauen in ihr Vertrauen zu ziehen. Die Kammerfrau hieß Giulia; sie war sehr schön, äußerst klug und so anmutig, daß sie von dem ganzen Hofe fast auf den Händen getragen wurde. Ihr also vertraute die Herzogin alle Geheimnisse ihrer Liebe an und bat sie um Rat und Hilfe. Als Giulia, die ihre Gebieterin mehr als ihr Leben liebte, ihre Absicht erfuhr, hatte sie mit ihr das größte Mitleiden; sie bemühte sich, so gut sie konnte, sie zu trösten, und versprach ihr, alle Mühe anzuwenden, um Mittel und Wege zu finden, dieses Unternehmen zu Ende zu führen. Der Zuspruch der treuen Kammerfrau und ihre ausgedehnten Verheißungen erleichterten die Pein der Herzogin sehr. Giulia dachte hin und her nach über die ihr mitgeteilte Angelegenheit, und nach tausend und aber tausend Gedanken hielt sie endlich bei einem Punkte fest, der ihr der passendste schien: ohne den Beistand eines klugen und verständigen Mannes sei es fast unmöglich, die Krankheit ihrer Gebieterin an Geist und Herz zu heilen.
Bekanntlich ist es Sitte, daß allenthalben an den Höfen die Hofleute Liebschaften haben und sich mit den Damen daselbst Kurzweil verschaffen. Die Frau Herzogin hatte dazumal zum Arzt einen Mailänder Bürger namens Magister Francesco Appiano, Urgroßvater unseres wertesten Magisters Francesco Appiano, des Arztes Francesco Sforzas IL, Herzogs von Mailand. Giulia hatte sich bis jetzt nicht viel um die Liebe des Arztes bekümmert, wiewohl sie ihn nicht gerade ungern sah. Da sie nun aber gegenwärtig bedachte, daß es ein wohlgesitteter, kluger und einnehmender Mann sei, der gewiß jedes Unternehmen von der rechten Seite aufzufassen verstehe, kam sie mit sich überein, niemand passe besser für ihre Pläne als er. Darüber mit sich selbst einig, besprach sie es auch mit der Herzogin. Diese billigte ihre Gründe und forderte sie auf, den Arzt fortan durch süße und verliebte Blicke soviel als möglich an sich anzulocken, was die kluge und listige Zofe auch auf das geschickteste auszuführen verstand. Der Arzt, der in der Tat in sie verliebt war, fühlte sich sehr glücklich und strahlte von Freude in der Hoffnung, mit seiner Liebe zum erwünschten Ziele zu gelangen. Nachdem sie dem von ihrer Gebieterin erhaltenen Befehle zufolge ihn gehörig in Brand gesteckt zu haben glaubte, sagte sie eines Abends zu ihm: »Die Frau Herzogin fühlt sich etwas unwohl und wünschte, daß Ihr morgen, ehe sie aufsteht, in das Zimmer kommt, um von ihr die Zufälle ihres Unwohlseins zu vernehmen, die Anzeichen zu untersuchen und die Maßregeln zu ergreifen, die ihre Krankheit verlangt.«
Der Arzt versprach, es zu tun. Als sodann der Morgen kam, ging er in das Schloß, trat in das Vorzimmer und wartete, bis er hineingelassen würde. Die Herzogin und Giulia hatten schon miteinander ausgemacht, was sie dem Arzte sagen wollten, der denn auch wirklich glaubte, die Herzogin sei unpäßlich und kränklich; und allerdings war sie leidend, aber freilich nicht an einer Krankheit, wo Galen, Hippokrates und Avicenna ihre Arzneien zu verordnen brauchten. Als die Herzogin hörte, daß der Arzt gekommen sei, ließ sie ihn in das Zimmer kommen und die anderen Frauen abtreten, während sie bloß Giulia und den Arzt bei sich behielt. Dann wandte sie sich zu diesem und redete ihn folgendermaßen an: »Wenn Ihr, Meister Francesco, der
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