Italienische Novellen, Band 2
Herbergen versehen ist und weil, wie es scheint, der Graf es, um sich zu rächen, darauf anlegte, die arme junge Frau so schlechtes Unterkommen, daß man es nicht Ruhe, sondern Mühsal auf Mühsal heißen konnte. Endlich kamen sie nach mehreren Tagen nach Barcelona und fanden daselbst seine Begleiter wieder, die an demselben Tage wie sie von Toulouse abgegangen waren, aber in größeren Tagereisen den Weg zurückgelegt hatten. Er bezog mit seiner Frau eines der ärmlichsten und am schlechtesten ausgestatteten Gasthäuser der Stadt, in welchem jedoch eine brave und fromme Frau die Wirtschaft führte, wiewohl es deren dort wenige gibt, die nicht lieber der Taufe als dem Weiberverkaufe entsagten. Er schlief hier mit ihr die erste Nacht und brachte auch den ganzen folgenden Tag daselbst zu; am nächsten Abend jedoch beredete er sie, er habe in der Stadt ein Geschäft und könne unmöglich anders als die Nacht über bei ihr sein, da er bei Tag ganz von seinen übrigen Angelegenheiten in Anspruch genommen sei. Er sagte, sie solle mit der Alten hier im Hause ihre Arbeiten teilen; dadurch könne sie ihren hinlänglichen Unterhalt verdienen; denn er sei nicht gewillt, ihretwegen eines seiner Kleinode zu verkaufen noch auch das Geld aufzuzehren; vielmehr, wie er stets durch seine Betriebsamkeit etwas erübrige, so wünsche er, daß auch sie es halte, wenn es ihr daran gelegen sei, im Frieden mit ihm zu leben. Die unglückliche Gräfin seufzte in ihrem Herzen schwer, als sie sich erinnerte, wie vielen Leuten ihr Vater zu leben gab, während sie sich nun in Umstände versetzt finde, wo sie genötigt sei, ihren Lebensunterhalt mit ihrer Hände Arbeit zu verdienen. Doch antwortete sie mit heiterer Miene, sie wolle es tun.
Der Graf verließ sie, ging im Pilgergewand nach seiner Wohnung, wo er längst vermißt und fast für verloren gehalten worden war, nun aber, ganz unerwartet zurückgekehrt, von seinen Eltern mit inniger Freude empfangen wurde; denn seine Pilgerfahrt hatte sich um viele Wochen gegen seine frühere Angabe verlängert. Der freudige Graf blieb so den ganzen Tag in festlichem Genusse bei seinen Freunden und Hofleuten, ermangelte aber nicht, in der Nacht heimlich in der frühern Tracht die Gräfin aufzusuchen und bei ihr zu schlafen, legte ihr auch beständig neue Lasten und ärmliche Geschäfte auf und ermahnte sie, in der Küche und im Zimmer der guten Wirtin immer dienstwillig und bereit zu sein. Ja, noch nicht zufrieden mit dem auf sie gewälzten Schimpf, beschloß er, sie noch weiter in Versuchung und Schmach zu führen. Darum sagte er eines Nachts zu ihr: »Ich gedenke morgen einem Rauchwarenhändler, meinem Freunde, in der Bude eines Schneiders eine Trinkpartie zu geben, wozu ich nun Brot kaufen müßte, welches doch hierzulande sehr teuer ist. Weil es mir nun zu sauer ankommt, so viel Geld auszugeben, so ist mir eingefallen, du sollst morgen früh, wenn die Wirtin das Brot gebacken hat und du sie dabei unterstützt hast, dich anstellen, es sei dir etwas hinuntergefallen, dann damit zum Ofen zurückkehren und vier davon in deiner Tasche unter dem Unterrock verstecken und sie mir aufheben. Zwei oder drei Stunden nach dem Morgenessen will ich sie abholen.«
Der hochherzigen Gräfin erschien diese Zumutung über alle Maßen erniedrigend, und sie würde sie nicht für ernst genommen haben, hätte sie nicht vorher so vieles über die schmutzige Armseligkeit der Spanier und Navarresen reden gehört. Sobald sie aber dachte, er scherze keineswegs, so bat sie ihn aufs demütigste, er möge sie doch nicht zwingen, so etwas zu tun.
Darauf versetzte er ganz zornig: »Ist es dir noch nicht aus dem Sinn, daß du die Tochter des Grafen von Toulouse bist? Habe ich dir nicht am ersten Tage, wo wir von dort weggingen, gesagt und von dir das Versprechen erhalten, du wollest alles andere vergessen und nur im Gedächtnis behalten, daß du das arme Weib des Navarresen seiest? Darum sage ich dir nochmals: wenn du im Frieden mit mir leben willst, so mußt du dich entschließen, dies zu tun und alles, was ich dir sonst noch befehle; oder ich lasse dich allein und gehe anderswo meinem Glücke nach.«
Sie war genötigt, es ihm zu versprechen, und vollbrachte am andern Morgen genau sein Geheiß. Der Graf ritt jeden Abend durch die Stadt spazieren. Heute hatte er nun mit einem der beiden, die mit ihm in Toulouse waren, und der in einem entfernten Verwandtschaftsverhältnisse zu ihm stand, alles verabredet, was weiter zu tun wäre. Er
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