Italienische Novellen, Band 2
sich gegen die Gräfin sehr verwundert äußerte, daß sie einem solchen Weibe Zutritt in ihrem Hause verstatte. Er erzählte ihr sodann, was er früher mit dem Brote gesehen habe, und offenbarte ihr endlich auch, was sie ihr hier entwendet. Der Unglücklichen verursachte diese Entdeckung um so mehr Scham und Betrübnis, je edler der Ort, je wertvoller der Gegenstand und je vornehmer die Person war, an der sie ihn verübt hatte. Die andere aber maß alle Schuld ihrer Armut bei, entließ sie jedoch ehrenvoll von ihrer Arbeit.
Nunmehr glaubte der zürnende Graf für die von seiner Frau erhaltene Beleidigung genügend Rache geübt und ihr Vorurteil gegen ihn gehörig bestraft zu haben; denn er hatte nun das Bewußtsein, daß sie etwas viel Niedrigeres begangen habe als er, indem er den Kern eines Granatapfels aufgehoben. Auch bemerkte er, daß die Zeit ihrer Entbindung herannahe, und so gab er denn jedes weitere Verlangen, sie zu kränken, auf und dachte hinfort nur auf seine Freude und ihre Zufriedenheit. Er erzählte also seinen Eltern alles, sagte, sie sei durch Verführung und nicht durch Habsucht dahin gebracht worden, bei ihm zu schlafen, berichtete sofort, wieviel Schmach, Qual und Verdruß er ihr bereitet habe zum Lohn für ihren Fall, und schloß endlich damit, daß er beabsichtige, wenn sie es genehmigen, sie am folgenden Tag als Tochter des Grafen von Toulouse und als seine Gemahlin heimzuführen. Die Eltern des Grafen waren hierüber ebenso erfreut, wie sie früher durch die Kunde von dem Bruch der beabsichtigten Verwandtschaft betrübt worden waren; und ohne die Ursache zu sagen, wurde Befehl zu einem kostbaren Festmahle gegeben.
In der Nacht vor dem angeordneten Feste sagte der Graf zu seiner Frau: »Morgen begeht man im Hause des Grafen dieses Landes ein großes Hochzeitsfest: denn sein Sohn hat die älteste Tochter des Königs von Aragon geheiratet, eine der reizendsten und schönsten Frauen, die man seit langer Zeit gesehen; er darf Gott recht danken, daß du ihn ausgeschlagen hast, denn hier ist er, was Verwandtschaft, Reichtum und Schönheit anbelangt, weit besser gefahren.«
Hier konnte die Gräfin einen flüchtigen Seufzer nicht unterdrücken, indem sie zurückdachte, wer sie einst gewesen und wer sie jetzt war.
»Morgen«, fuhr der Graf fort, »ist allgemeiner Festtag, wo man nicht arbeitet. Da du also nichts anderes zutun hast, so denke ich, du gehst zum Zeitvertreib mit dieser guten Frau hin, denn so allein würdest du hier Langeweile haben. Zugleich wirst du darauf achthaben, ob nicht drinnen etwas ist, was man, ohne daß jemand es merkt, stehlen könnte. Du bist ein Weib, und wenn man dich daher auch ertappt, so kann dir doch nichts geschehen, als ein wenig Schande, die bald vorbeigeht, und die zu ertragen der Arme seine Seele gewöhnen muß.«
Schien es der Gräfin vorher hart, das andere zu tun, so kam ihr dieses Gebot nun ganz unerträglich vor, und hatte sie jenes durch Bitten und Entschuldigungen von sich abzuwenden gesucht, so beteuerte sie jetzt mit Tränen und der jammervollsten Klage, lieber sterben zu wollen, als sich dazu zu verstehen. Der Graf aber, der damit den Beschluß machen wollte, zwang ihr mit noch heftigem Drohungen und herbern Worten als früher das Versprechen ab, seinem Willen nachzukommen. Der Frau vom Hause hatte er seinen ganzen Plan heimlich eröffnet und ihr angegeben, um welche Stunde, wie und wohin sie am folgenden Morgen zu gehen habe. Nach diesen Vorbereitungen kehrte er nach dem Schlosse zurück.
Am andern Tage fanden sich die vornehmsten Ritter und die edelsten Frauen von Barcelona zur bestimmten Stunde ein, um an dem Gastmahle teilzunehmen, und erheiterten, ehe die Tische gedeckt waren, mit anmutigen Gesprächen und muntern Tänzen die fürstliche Wohnung. Die alte Wirtin führte nach der Weisung des Grafen fast mit Gewalt die Gräfin hin, etwa eine Stunde vor dem Gastmahl. Sobald sie unter andern sehr armen Leuten versteckt im Saale erschienen war, schritt der Graf, festlich gekleidet, ganz strahlend vor Freude auf sie zu und sagte laut, so daß er von allen konnte verstanden werden: »Willkommen, edle Gräfin, mein geliebtes Weib! Es ist endlich an der Zeit, daß aus Eurem navarresischen Juwelenhändler der Graf von Barcelona und aus Euch, der armen Pilgerin, die Tochter und Gemahlin eines Grafen wird.«
Ganz aus der Fassung gebracht und ebenso voll Verwunderung als Scham über diese Worte, blickte sie umher, ob nicht an jemand neben ihr diese Worte
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