Italienische Novellen, Band 2
über uns hat, und wie oft es vorkommt und wie leicht es ist, die Frauen, obschon sie sich für äußerst listig halten, zumal aber junge Mädchen zu betrügen; da überkam ihn ein solches Mitleiden mit ihr, daß er nahe daran war, trotz all seiner Mannheit und um eines andern willen das zu tun, was sie, als Weib, um sich selbst zu tun verschmähte, nämlich zu weinen. Er bedeckte das Gesicht, verbarg seine Gemütsbewegung und sagte in großer innerlicher Bewegung: »Edles Fräulein, ich bin ein niedriger armer Handelsmann, wie Ihr ja gar wohl bemerkt haben könnt; aber trotzdem ist mein Sinn immer darauf gestanden, unbeweibt zu leben und zu sterben. Darum bitte ich Euch, fallet mir nicht zur Last und stürzt Euch nicht selbst in dieses Mißgeschick!«
Er hätte gerne noch weitergesprochen; aber sein Mitleid mit ihr und der Wunsch, sie ganz zu besitzen, sowie die Besorgnis, es möchte sie Reue ankommen, schlossen ihm den Mund. Sie antwortete ihm: »Mein Freund, ich will dir nichts mehr sagen, als daß du bedenken mögest, daß das Glück dem gesegnetsten Menschen auf dieser Welt in seinem ganzen Leben nicht mehr als eine solche Gelegenheit bieten kann, wie sie jetzt dir mein Mißgeschick und dein guter Stern bereitet. Sieh wohl zu, daß das Glück sich nicht über deinen Unverstand erzürne, wenn du, ein Juwelenkrämer, die Hand einer Gattin verschmähen willst, die vor nicht langer Zeit die Bewerbung des Grafen von Barcelona zurückgewiesen hat!«
Diese letzten Worte fachten wieder etwas den alten Groll im Herzen des Grafen an und trieben sein Gemüt zur rohen Rache an. Ohne fernere Weigerung erklärte er demnach, da es so ihr Wunsch sei, füge er sich in jeden ihrer Befehle; sie müsse sich aber gefaßt machen, in allen Dingen zu leben wie seine Frau und nicht wie die Tochter ihres Vaters, mit ihm ohne Begleitung und zu Fuß wandern, wie sein Stand und seine alte Gewohnheit es erfordere, namentlich auch, um desto besser den Gefahren zu entgehen, denen sich ein Mann aussetzt, der eines Grafen Tochter aus ihrem Hause entführt, um sie in fremde Länder zu bringen.
Ungekannt und ohne ihrer Verabredung gemäß mit irgend jemand zu sprechen, außer mit der Kammerfrau, welche weinend zurückblieb, gingen sie in Pilgertracht, als wollten sie den heiligen Jakob in Galizien besuchen, in der nächsten Nacht von hinnen. Ein gewaltiger Aufruhr entstand in Toulouse und im ganzen Lande, als das Geschehene bekannt wurde. Da aber kein Mensch die Wahrheit ahnen konnte, glaubten manche, sie möge, plötzlich von Gott getrieben, in irgendein heiliges Nonnenkloster geflohen sein; denn seit der Zeit, da sie sich schwanger fühlte, hatte sie größere Frömmigkeit als früher bewiesen und, so viel sie konnte, jede Gesellschaft gemieden; so konnte man also leicht auf jenen Gedanken kommen; und die zurückgebliebene Kammerfrau, die allein darum wußte, brachte eine so wohlaufgestutzte Geschichte zu Markte und stellte sich zugleich als hintergangen und höchst unzufrieden über das Ganze, daß sie alle überzeugte, die Sache verhalte sich so. Teils wegen der Hoffnung, die man hieraus schöpfte, teils weil die Flüchtigen in kurzer Zeit über die Grenzen von Languedoc hinaus waren, wurden sie nicht wieder aufgefunden, wiewohl man ihnen eifrig nachspürte.
Es würde zu weitläufig sein, alle die mühevollen langen Prüfungen zu nennen, die der verliebte frohe Graf seine betrübte und unzufriedene Gattin unterwegs bestehen ließ. Früherhin ungewohnt, das ganze Jahr über nur vierzig Schritte zu Fuß zu machen, wo sie sich dann auf die vornehmsten Edelleute ihres Hofes stützte, und dies nur zur bequemsten Zeit, die man finden konnte, war sie jetzt genötigt, unter der heißesten Julisonne auf scharfen Steinen einherzugehen, gedrückt bereits von der Bürde ihres Leibes, alle mögliche Mühsal ertragend, wie nur das ärmste Geschöpf, das auf Erden wandelt. Der Graf lud sie nur dann und wann, sooft es notwendig war, zur Ruhe ein, aber mit so rauhen Worten, und trieb sie darauf in so unhöflichem Ton zum Weitergehen an, daß der geringste Befehl für den Leib der Seele die größte Kränkung bereitete. Mit dem Tag aber, an dem sie Toulouse verlassen hatten, war sie darauf gefaßt, jeden Hohn des Geschicks gelassen zu tragen. So ging es ihr unterwegs; in dem Gasthause sodann, wo sie einigermaßen hoffen konnte, bei Nacht von den Beschwerden des Tages auszuruhen, fand, da diese Gegend nach spanischer Sitte nur mit den erbärmlichsten
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