Italienische Novellen, Band 2
sorgen sollen. Aus Knorpel ist Knochen geworden, die Wunde ist in Krebs übergegangen, es gibt kein Mittel mehr für einen so alten Schaden. Hättet Ihr doch früher Euerm Unheil abzuhelfen gesucht! O Narr, hirnloser Narr, merkt Ihr denn nicht, zu welchem Schaden, zu welchem Spott Euch Eure zahllosen Torheiten gereichen? Und was wird Euch das alles helfen? Nichts und wieder nichts.«
Als Silverio diese Worte des klugen Weibes vernahm, merkte er wohl, daß er mit seiner allzu großen Zärtlichkeit wenig Gutes gestiftet habe. Er entschloß sich daher, so schwer es ihm auch fiel, sein trauriges Los lebenslänglich mit Geduld zu ertragen. Spinella hatte nun gesehen, daß der Ratschlag ihrem Manne wenig gefrommt habe, und wenn sie sonst ihren Willen fingerslang durchsetzen wollte, so machte sie ihn nun in der ganzen Armeslänge geltend; denn es hegt in der Natur halsstarriger Weiber, lieber tausendmal den Tod zu dulden, als ihren ernstlichen Vorsatz aufzugeben.
Das Kruzifix des Holzbildhauers
Wenn heutzutage, schöne Damen, die Geistlichen (ich spreche aber nur von den schlimmen, nicht von den guten) sich ihren Studien widmen, gute Beispiele geben und fromm nach ihrer Regel leben würden, so wären die unwissenden Leute aus dem Volk nicht so dreist, von ihnen Geschichten zu erzählen, würden sie im Gegenteil so verehren, daß sie sich heil und glücklich schätzen würden, sobald sie nur den Saum ihrer Gewänder berührten. Aber da sie sich mit den Weltleuten vermischt, sich der Welt und den sinnlichen Lastern hingeben und selbst rücksichtslos das tun, was sie uns verbieten müßten, so redet man öffentlich und privat lang und breit über sie. Da es nun mal so ist, werde ich mich nicht enthalten, euch die Geschichte eines ehemaligen Mönches zu erzählen, die, wenn sie auch etwas lang, darum nicht weniger ergötzlich und spaßhaft ist und euch vielleicht nicht wenig befriedigen wird. So hört denn, daß in der edlen und alten Stadt Florenz ein ehrwürdiger Pater lebte, der Magister Tiberio genannt wurde. Welcher Regel er angehörte, wage ich nicht zu behaupten, weil ich mich dessen jetzt nicht entsinne. Er war ein gebildeter Mann, machtvoller Prediger, sehr feiner Disputator und allgemein sehr geachtet und verehrt.
Aus gewissen Gründen, die mir unbekannt sind, schien es ihm richtig, das Ordenskleid abzulegen und Weltpriester zu werden, und da begab es sich, daß er nach dem Verlassen des Ordens nicht mehr in derselben Verehrung stand wie früher; doch blieb er bei einigen wenigen Edelleuten und vor allem beim Volke in Ansehen. Und da er ein guter Beichtvater war, so erschien vor ihm, um zu beichten, eine sehr schöne Frau, die Savia genannt wurde, ein Name, der der Bescheidenheit eines so fraulichen Wesens, wie sie es war, wahrhaft angemessen war. Sie hatte zum Gatten einen Holzbildhauer, der Meister Chechino hieß und in dieser Kunst zu seiner Zeit von keinem übertroffen wurde. Savia war denn vor Magister Tiberio niedergekniet und sagte: »Mein Vater, mein Beichtvater, dem ich meine geheimen Sünden bekannte, ist mir gestorben, und da vernahm ich den Ruf Eures Ruhmes und Eurer Heiligkeit: so habe ich Euch zu meinem geistlichen Vater erwählt und bitte, Ihr möget Euch meiner Seele annehmen.«
Magister Tiberio sah sie schön und frisch vor sich, die einer morgendlichen Rose glich. Er wußte sich strotzend von einer Kraft, die in der allerschönsten Blüte stand, die nur möglich war, und entflammte sich dergestalt an ihr, daß er fast außer sich geriet, als er sie beichten ließ und es nicht vermochte, sie sich aus den Augen zu schaffen. Als er zur Sünde der Wollust gekommen war, fragte er sie aus: »Hattet Ihr niemals, liebe Frau, und zu keiner Zeit besondere Zuneigung zu irgendeinem Priester oder Mönch, in den Ihr verliebt gewesen seid?«
Und sie, die nicht ahnte, worauf er hinaus wollte, antwortete in aller Reinheit: »Doch, Vater, ich liebte meinen Beichtiger sehr, wie einen Vater, und brachte ihm die Verehrung und Ehrfurcht entgegen, die ihm zukam.«
Als dem Magister Tiberio die sehr günstige Einstellung der Frau klar geworden war, sprach er mit süßen und geschickten Worten zu ihr, ließ sich Namen und Stand sagen und das Haus bezeichnen, in dem sie wohnte, empfahl sich ihr und bat sie, sie möge ihm so gewogen bleiben, wie sie ihren verstorbenen Beichtvater geliebt und wert gehalten habe; und im Zeichen der christlichen Liebe wolle er, wenn das Osterfest vorüber sei, sie besuchen, um ihr einige
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