Italienische Novellen, Band 3
hätte scheinen können, es passe nicht wohl zu dem frommen Bettelstande und zu dem harten Leben, das sie führen mußten, wenn sie sich einen Esel zur Erleichterung ihrer Mühen hielten, woraus eine Erkühlung in der Liebe der Gläubigen gegen sie entstehen konnte, erklärte er klüglich, es wäre besser, den Esel zu verkaufen, da sie ja auch bisher ohne einen solchen ausgekommen seien. Er übergab ihn daher einem ehrlichen Manne, der oft in die Einsiedelei kam, damit er ihn auf den Markt führe.
Zufällig war an demselben Tage auch Gianni daselbst. Er sah seinen Esel und erkannte ihn alsbald an einem der Ohren, das ein wenig verstümmelt war. Er war sehr betrübt, trat zu ihm hin, näherte sich seinem Ohre, um insgeheim mit ihm zu sprechen, und sagte ganz leise: »Ach, lieber Vater, hat das aufrührerische Fleisch Euch schon wieder einen schlimmen Streich gespielt? Ich hab' es Euch doch vorhergesagt, daß es so kommen werde.«
Der Esel, als er das Geflüster in seinem Ohre vernahm, schüttelte mit dem Kopfe, als wollte er Nein sagen. »Leugnet es nicht«, antwortete Gianni wieder ihm ins Ohr. »Ich erkenne Euch nur zu gut: Ihr seid derselbe.«
Der Esel schüttelte den Kopf.
»Ei, so lüget doch nicht«, versetzte der ehrliche Kerl mit etwas gehobener Stimme, »lügt nicht, Vater! Das Lügen ist eine Sünde. Ihr seid es. Ich erkenne Euch wider Euern Willen. Es ist viel besser, Ihr gesteht es. Ihr wißt ja, eine Sünde, die man gebeichtet hat, ist schon halb vergeben.«
Die Leute, die einen Menschen mit einem Esel ein Zwiegespräch führen sahen, hielten jenen für verrückt und stellten sich um ihn her; um ihn zu foppen, fragte ihn einer dies, der andere das. Gianni gab nun Antworten zum Totlachen und behauptete steif und fest, es sei kein Esel, sondern ein unglücklicher Einsiedel, der durch die Gebrechlichkeit des Fleisches schon wenigstens zweimal in einen Esel verwandelt worden sei. Er fing dann von vorne an und erzählte die ganze Geschichte von dem Eremiten, der wegen seiner Sünden zum Esel geworden sei. Bei dieser Erzählung entstand denn ein schallendes Gelächter, und Gianni war den ganzen Tag das Gespötte aller Marktleute. Wer es schon gesehen hat, wie der Eule ein ganzer Schwärm von Vögeln nachzieht, die sie mit tausend Tönen und Gezwitscher umschwirren, mag sich das Schauspiel vorstellen, wie man diesem Tölpel auf Schritt und Tritt nachlief, und wie die Menge ihn umschwärmte, die mit Spaßen und schallendem Gelächter sich wunderbar an ihm ergötzte. Am Ende redete ihm einer im Scherze zu, das unglückliche Tier wieder anzukaufen, es mit Korn und dem besten Heu, das er habe, zu füttern, und ihm eine möglichst gute Behandlung angedeihen zu lassen zum Ersatze der Unbill, die er ihm vorher angetan. Der Rat gefiel Gianni; er kaufte den Esel und nahm ihn mit nach Hause.
Wie staunten der Alte, Cecca und die beiden Knaben, als sie ihren alten Esel wiedersahen! Wer vermöchte den freundlichen Empfang zu schildern, den sie ihm widmeten, und die Pflege, die sie ihm angedeihen ließen! Nie ward ein Esel auf der Welt besser genährt und mehr gehätschelt. Auch ward in kurzem sein Fleisch fett, seine Haut glatt und glänzend, wie die eines Hermelins. Allein das schändliche Tier war nun so unverschämt und nahm so üble Gewohnheiten an, daß es nicht allein dem Alten, sondern auch dem Weibe, den beiden Söhnlein, ja Gianni selbst sehr zur Last zu werden begann. Es biß heftig, stieß mit den Füßen und schrie so laut Tag und Nacht ohne Aufhören, daß es allen wirklich unausstehlich geworden war. Gianni hatte sich unterdessen eine Eselin zu seinen Geschäften gekauft; der gemästete Esel aber zerriß mehr als einmal den Strick, womit er an die Krippe gebunden war, und belästigte die gute Eselin. Wie sehr die ehrlichen Leute hieran ein Ärgernis nahmen, ist unschwer einzusehen, und alle ihre sonstige Bekümmernis schien gar nichts in Vergleich mit dieser. Am Ende sah Gianni ein, daß das schlimme Tier alle Tage böser wurde und, wenn das gottlose und garstige Leben fortdauerte, nie wieder in seinen früheren Zustand zurückkäme, woran er sich selbst die Schuld beimessen zu müssen fürchtete, da weder Eremiten- noch Eselsfleisch das Verzärteln leiden kann; er erkannte die Notwendigkeit, dieses Fleisch recht tüchtig zu peinigen, wie er sonst mit so großem Vorteil und mit Billigung Arsenios selber getan hatte; er nahm daher von neuem seine Zuflucht zum Prügel und zu Hieben. Aber sei es, daß der
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