Italienische Novellen, Band 3
Euch, der Ihr, des Vertrauens spottend, das ich in Eure Tugend setzte, mit einer so ruchlosen Tat die Treue brachet, die mir Euer Handschlag verpfändete. Über mich, die ich mich von der Sinnlichkeit verlocken ließ, meinen guten Ruf in der Meinung der Welt, wenn auch nicht in der Tat, vielleicht für immerdar zu vernichten. Über Euch, der Ihr mehr aus Unzüchtigkeit als mit Besinnung und mehr wie ein Dieb als wie ein Liebhaber unverdienterweise die unschuldigen Gunstbezeigungen eines Kindes geraubt habt. Mehr habe ich indessen über mich als über Euch zu klagen, daß ich so fahrlässig gewesen bin, die Sorgfalt für meine Tochter aus der Acht zu lassen und anstatt auf ihre Vermählung, wie es die Vernunft von mir forderte, ernstlich bedacht zu sein, meinen eignen unzüchtigen Wünschen zu frönen. Da ich nun für meinen Aberwitz zur Genüge bestraft bin, und da das Schicksal viel mehr als meine Vorsicht für sie gesorgt hat, so bin ich es zufrieden, daß sie die Eurige sei, da ja ihre Jugend Eurem Alter auch weit angemessener ist als das meinige. So soll mir der Zufall, der meine Enttäuschung förderte, gesegnet sein, und ich beteure mir, daß ich Euch in Zukunft mit geregelterer Zuneigung wie meinen Sohn lieben will. Entschlossen, ferner so zu leben, daß ich Euch sowohl wie andern jedweden Zweifel an der Aufrichtigkeit meiner Tugend benehme, will ich mich in ein Kloster zurückziehen, um dem Allmächtigen zu dienen, und in solcher Einsamkeit und Betrachtung der Schönheiten des Himmels mir das Bildnis meines Floriandro vor die Augen des Geistes führen, auf daß ich mich rühmen könne, durch die Sympathie der Liebe schon hier auf Erden die Freuden und Tröstungen des Paradieses genossen zu haben.«
Wer war froher als Beliarco, sich so wohl aus dem Labyrinthe errettet zu sehen, in das er mit Recht der Meinung war, sich durch das Celidea angetane Unrecht verirrt zu haben, und sogar anstatt der verdienten Strafe von der Großmut seiner verlassenen Geliebten die eigne Tochter zur Gattin zu empfangen! Er wollte danken, sich rechtfertigen, um Vergebung flehen; aber sie gestattete ihm nicht, darüber noch mehr Worte zu verlieren, um nicht durch abermalige Erregung ihrer Leidenschaft ihre frommen Entschlüsse wankend machen zu lassen, empfahl ihm ihre Tochter an, küßte sie und ging hinweg, indem sie das Mädchen ermahnte, dies verhängnisvolle Begegnis als den Willen des allgütigen Himmels anzusehen, der sich den Menschen jederzeit in Wundern offenbare.
Zafiras Herz war nicht wenig von den aufrichtigen Beweisen der heißen Liebe und Zuneigung ihrer Mutter gerührt, und sie gab ihr ihre Erkenntlichkeit durch häufige Tränen kund. Da sie aber im Grunde wohl einsah, wie reichlich der Gewinn eines so würdigen und liebreichen Gatten sie für die erlittene Unbill entschädige, so lehrte die Menschlichkeit selbst sie, in seinen Armen Trost suchen und finden.
Der Stern der Liebe, der seit einer Stunde am Horizonte aufgegangen war, diente mit seinem funkelnden Schimmer der wiederholten Süßigkeit ihrer innigsten Vereinigung als Hochzeitsfackel und ward vielleicht von der Beseligung dieser Liebenden gerührt, auch Celidea wieder zu lächeln, nachdem er sie sein finsteres Grollen so lange Zeit hatte erfahren lassen. Sowie die betrübte Witwe nämlich mit dem schon vorgerückteren Tage von ihrem Schmerzenslager aufgestanden war, um sich in ihren guten Vorsätzen zu stärken und zu befestigen, die vergänglichen Freuden der Welt aufzugeben und dagegen den Weg zu den ewigen, unvergänglichen Freuden des Himmels zu betreten, ward sie plötzlich durch ein helles Trompetengeschmetter aus ihren demütigen Gedanken gerissen und nahm, rasch an das Fenster schreitend, unter vielen andern Menschen vorerst ihren geliebten Floriandro auf der Straße wahr.
Der seit langer Zeit von ihr gehegte Glaube an seinen Tod jagte ihr einen solchen Schreck über ihn ein, daß sie kalte Tropfen schwitzend, starr vor Entsetzen zu Boden gestürzt sein würde, hätte sie in demselben Augenblick nicht auch ihren eigenen, Floriandro begleitenden Bruder gesehen, der ihm, indem er hatte zur Stadt hinausgehen wollen, glücklicherweise begegnet war und, als er jetzt ihr Erbleichen gewahrte und begriff, sie mit einem abermaligen Zujauchzen fröhlicher Stimmen ermutigte. Bald überzeugten ihres Floriandros enge Umarmungen und heiße Küsse Celidea besser als alles andere, daß er keine von ihr erträumte gespenstische Erscheinung, sondern wahrhaft Fleisch
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