Italienische Novellen, Band 3
Urteil zu finden. Bemitleidet mich daher, wenn Ihr seht, wie meiner Liebe heute die Keuschheit unterliegt, die gestern noch kräftig genug war, meine Neigung zu besiegen, und wofern es wahr ist, daß derjenige, welcher gar zu vernünftig handelt, schwerlich liebt, so rechtfertigt mich, wenn Ihr in meinem Betragen die Vernunft nicht allzusehr vorherrschend findet, damit, daß meine Liebe zu Euch desto größer ist.«
Sowie nun Beliarco den Ausdruck so zärtlicher Gesinnungen an sein Ohr treffen hörte, wollte er, zu noch feurigerer Bezeigung der seinigen, seine Arme um ihren Nacken schlingen, um ihr seine Dankbarkeit, zu der keine Worte mehr ausreichten, auf eine wirksamere Art zu betätigen; sie hielt ihn aber mit sanfter Gewalt von sich ab, indem sie hinzufügte: »Ich bitte Euch, Signor, wollet keine so üble Meinung von mir haben, etwa zu glauben, ich könnte meinen guten Ruf gegen unreine Freuden der Liebe irgend hintansetzen! Entschlossen, meiner überschwenglichen Liebe zu Euch doch keinen andern als einen ehrbaren, rechtmäßigen Ausgang zu gewähren, bin ich gegen Euer heiliges Versprechen, den Bund der Ehe mit mir zu schließen, die Eurige, wogegen ich mich sonst lieber dem Tode als Euren unkeuschen Umarmungen preisgeben mag.«
Der verliebte Jüngling, der sich durch Celideas Einladung, sie zur Nachtzeit zu besuchen, und durch ihren zärtlichen Empfang gewiß eingeredet hatte, alles, was er von ihr wünschte, erfüllt zu sehen, ohne nötig zu haben, sie zu seiner gesetzlichen Gemahlin zu machen, war, als er diese Hoffnung schwinden sah, nicht stark genug, seinen glühenden Begierden Widerstand zu leisten, und willigte auf der Stelle in die Forderungen der Geliebten ein, die sich sodann, wie sie seinen Handschlag als Pfand der Treue empfangen und mit einem Kusse besiegelt hatte, nicht eben lange von ihm bitten ließ, ihn dieselbe Nacht über bei sich zu behalten. Sie führte ihn mit möglichster Vorsicht in ihr Schlafgemach, das sie mit Licht erhellt fanden, und der feurige Liebhaber wollte ihr nicht einmal so viel Zeit, sich zu entkleiden, gestatten, sondern nahte schon, gleich als wenn ihm sein Glück unter den Händen entfliehen möchte, dem innigsten Besitze ihrer geliebten Reize mit stürmender Eilfertigkeit, als auf einmal stark an die Tür geklopft und Celidea von ihrem Bruder gebeten ward, auf das schleunigste zu seinem in Kindesnöten liegenden Weibe zu kommen und ihr hilfreich beizustehen. Von einem so unvermuteten zufälligen Hindernisse zu ihrem äußersten Schrecken überrascht, und überzeugt, es nicht umgehen zu können, entwand Celidea ihre runden, glänzenden Schultern den bebenden Armen Beliarcos, die allmählich alle Gewänder von ihnen abgerissen hatten, und glitt von dem Trunkenen hinweg zu der Tür, wo sie ihrem Bruder zur Antwort gab, sie werde ihm auf dem Fuße folgen, sobald sie nur erst wieder ihre Kleider umgeworfen habe. Von Wollust noch durchschauert, nahm das liebliche Weib sodann, ehe ihre Furcht etwa zuließ, daß die Begierde sie zu einem verwegeneren Entschlüsse antriebe, den erstaunten und überraschten Beliarco bei der Hand und führte ihn in ein anstoßendes Zimmer, das vermittelst einer Reihe anderer Gemächer mit einem großen Saale zusammenhing, durch den er nach Gefallen, ohne der Gefahr der Entdeckung ausgesetzt zu sein, zur Gartenpforte hinaus entfliehen konnte. Sie beschwor ihn, indem sie von ihm schied, da doch kaum das erste Viertel der Nacht vorüber sei, wenigstens bis zum Nahen der Morgenröte gegenwärtig zu bleiben, damit sie ihm, wenn sie so glücklich wäre, derweil zu ihm zurückzukehren, mit einem Übermaße von Liebe und Zärtlichkeit den Kummer vergelten könne, den sie ihm jetzt durch die Flucht von seiner Seite bereite, und sie versicherte ihm, daß ihm von ihren Dienerinnen, die sie mit sich nehme, nichts zu befürchten stehe.
Der Arme fügte sich wohl oder übel in die verzweifelte Notwendigkeit, die sich unsern Willen mit gesetzloser, tyrannischer Gewalt unterwirft. Sobald er sich aber in der Dunkelheit allein zurückgelassen und sich noch trüberen Gedanken preisgegeben sah, fing er sein unseliges Gestirn über die Maßen zu bejammern an, das ihn, nachdem es ihn bis zu der Pforte seiner Seligkeit habe gelangen lassen, in den Abgrund der schmerzlichsten Todespein stürze. Er versuchte vergebens, mit der Vorstellung der erhofften Liebesfreuden und wollüstigsten Genüsse der Sinne seine über die Ungewißheit der Wiederkehr Celideas verdüsterte
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