Italienische Verführung
das, was er mit eigenen Augen sah und was sie ihm erzählte. Mit ein wenig Verschwiegenheit war alles möglich. Alles!
„Gibt es eine bessere Empfehlung für guten Charakter als die Kirche von England?“, fuhr Diana fort.
„Nein, Mylady“, meinte Miss Wood düster. „Aber erlauben Sie mir, Sie daran zu erinnern, dass wir vorsichtig sein müssen, nachdem doch …“
„Kommen Sie mit mir.“ Lord Edward ergriff Dianas Hand, als hätte er das Recht dazu, und führte sie aus dem Salon und über den Flur. „Lernen Sie den alten Burschen doch selbst kennen. Er kann dann alle Formalitäten zwischen uns erledigen.“
„Das schickt sich nicht, Mylord“, protestierte Miss Wood und eilte ihnen rasch nach. „Das ist nicht richtig . Ihre Ladyschaft ist nämlich von höherem Rang als Sie. Sie müssen ihr vorgestellt werden, nicht umgekehrt.“
Aber Lord Edward öffnete bereits die Tür zu den anderen Räumen.
„Onkel, ich bin’s wieder, Edward.“ Beschwingt trat er ein und wartete nicht erst auf den Diener, der herbeigeeilt kam und sich hastig die Jacke seiner Livree zuknöpfte. „Ich habe diese englischen Damen hier entdeckt, die ebenfalls hier wohnen. Ich möchte sie Ihnen vorstellen.“
In einem großen Zimmer, das als Salon, Studier- und Esszimmer zu dienen schien, saß ein älterer Herr. Sein Lehnstuhl war dicht an einen großen Tisch gezogen, der vor dem offenen Fenster stand. Der Regen prasselte auf das steinerne Fenstersims und nässte die Papiere, die am Rand des Tisches lagen. Doch der Mann war zu sehr in seine Arbeit vertieft, um es zu bemerken.
Unter einem schwarzen Barett, wie Maler es tragen, lugten Büschel weißen Haars hervor. Und wenn seine schwarze Leinenweste und die Kniehosen auch nicht ungewöhnlich waren, so steckten seine nackten Füße in sonderbaren spitzen, mit roten Rosen bestickten Hausschuhen. Während er konzentriert die Stirn runzelte, hielt er in einer Hand ein Vergrößerungsglas und in der anderen eine antike Tonscherbe. Dabei paffte er eine langstielige Meerschaumpfeife.
Lord Edward räusperte sich mit Nachdruck. „Bitte, Onkel. Die Damen.“
Erschrocken drehte Reverend Lord Henry Patterson sich um. Sofort verwandelte sich der angestrengt konzentrierte Gesichtsausdruck in ein glücklich strahlendes Lächeln. Er legte seine Pfeife und die Scherbe auf den Tisch und riss sich die Samtkappe vom Kopf, dass die Seidenquaste hin- und herbaumelte. „Ja freilich, Edward, die Damen. Wie geht es Ihnen, meine Lieben? Das ist heute vielleicht ein feuchter Tag in unserem alten Rom, nicht wahr?“
„Ja, das stimmt.“ Entschlossen trat Diana einen Schritt vor, bevor die Gouvernante noch einmal auf ihre Anstandsregeln pochen konnte. „Ich bin Lady Diana Farren. Das hier ist meine Gouvernante Miss Wood. Wir sind entzückt, an diesem fremden Ort die Bekanntschaft zweier englischer Gentlemen zu machen.“
Der Geistliche wirkte so geblendet und hingerissen, dass er fast ein wenig dümmlich dreinschaute. Diana lächelte amüsiert. Sie kannte ihre Wirkung auf Männer.
„Na bitte“, meinte Edward herzlich. „Ich sagte Ihnen doch, ich hätte zwei wahre Damen entdeckt, Onkel. Sie beide mögen entzückt sein, Lady Diana, aber ich – ich fühle mich verzaubert – und geehrt.“
Wachsam wie immer, verkündete Miss Wood streng: „Ihre Ladyschaft ist die jüngste Tochter Seiner Gnaden des Duke of Aston, Mylord.“ Diana konnte den unausgesprochenen Tadel fast fühlen. „Ihre Ladyschaft ist nicht an Liebeleien interessiert, Mylord. Sie bereist Italien, um zu lernen und ihren Wissensschatz zu vergrößern.“
„Dann werden Sie sie wohl auf diesem Weg führen und leiten, Miss Wood“, sagte Reverend Lord Patterson und setzte sich seine schwarze Samtkappe wieder auf. „Was für ein Vorbild an Wissen müssen Sie selbst sein, wenn Seine Gnaden die Erziehung und das Wohl seiner Tochter in Ihre Hände gelegt haben.“
Zu Dianas Erstaunen überflog eine sanfte Röte Miss Woods Wangen, als der Geistliche ihr jetzt die Hand schüttelte.
„Sie sind zu freundlich“, antwortete die Gouvernante. „Aber ich kann mir wirklich keine edlere Berufung vorstellen, als Seiner Gnaden Tochter zu leiten und mich zu bemühen, ihren Verstand und ihren Charakter zu bessern.“
„Natürlich, natürlich.“ Reverend Lord Patterson nickte eifrig. „Darf ich Ihnen meine letzte Errungenschaft zeigen, Miss Wood? Eine Dame mit Ihren gelehrten Neigungen wird die fachmännische Arbeit zu würdigen wissen. Es ist
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