Italienische Verführung
liegenden Mann: Edward, armer, dummer Edward. Das helle Haar hing ihm in die Stirn, und ein kleines Blutrinnsal sickerte von seiner Nase hinunter zum Kinn.
Entsetzt schnappte Diana nach Luft. Sofort hielt sie sich den Mund zu. Aber zu spät. Der andere Mann hatte sie gehört. Er hob die Kerze in ihre Richtung. Dianas Augen waren nicht mehr an Helligkeit gewohnt. Sie musste blinzeln und wandte den Kopf ab, um nicht in die Flamme schauen zu müssen.
„ Cara“, sagte Antony leise. „Meine einzige Liebe, was hat er dir angetan?“
11. KAPITEL
In schmutzigen, zerknitterten Röcken, das Haar wirr und voller Spinnweben, kauerte Diana mit vor Angst weit aufgerissenen Augen an der Mauer. Anthony hatte sie noch nie so gesehen, und wenn es nach ihm ging, würde er sie auch nie wieder so sehen.
„Diana“, sagte er beruhigend, da er sie nicht noch mehr erschrecken wollte. „Du bist jetzt in Sicherheit, mein Liebling. Er kann dir nicht mehr wehtun.“
Ruckartig schüttelte sie den Kopf. „Es … es war nicht Edward“, flüsterte sie mit brechender Stimme. „Es … es war Will Carney.“
„Will Carney?“ Wer, zum Teufel, war Will Carney? Hatte man sie so erschreckt, dass sie schon Wahnvorstellungen hatte? Oder lauerte in der Finsternis etwa noch ein anderer Mann? Er hatte geglaubt, sie wären in diesen Katakomben hier nur zu zweit, und einer von ihnen war eindeutig Warwick. „Diana, cara, ich …“
„Aber er war hier!“, rief sie völlig außer sich. „Es war Will Carney, der mich gepackt und gegen die Wand gestoßen hat, der mir sagte … er sagte mir …“
Ihre Augen voller Tränen schimmerten im Kerzenlicht. Unfähig, weiter zu sprechen, presste sie die Hände auf den Mund.
Rasch steckte Anthony die Kerze in den Spalt in einer Marmorplatte und nahm Diana in die Arme. Er hielt sie, so fest er konnte, an sich gedrückt. Es spielte keine Rolle, wer dieser Will Carney war oder warum sie glaubte, dass nur er sie überfallen haben konnte und nicht Edward. Das würden sie später klären. Ihn kümmerte nur, dass sie jetzt in Sicherheit und bei ihm war, mehr nicht.
„ Carissima“, flüsterte er heiser und hielt sie fest. Wäre er ihr doch nur ein wenig dichter gefolgt und hätte ihr dadurch dieses Leiden ersparen können! „Er kann dir nicht mehr wehtun. Du bist jetzt bei mir.“
Sie lehnte sich etwas zurück, um ihm besser ins Gesicht sehen zu können. „Aber wieso bist du hier, Anthony?“, fragte sie, die Wangen von Schmutz und Tränen verschmiert. „Wie kommt es, dass du an diesem schrecklichen Ort bist?“
„Ich hatte so ein Gefühl, dass du mich vielleicht brauchen wirst“, erwiderte er wahrheitsgemäß. Er wusste nicht, wie er es ihr deutlicher erklären sollte. Schon vor langer Zeit hatte er gelernt, seinen Eingebungen zu vertrauen. Seine alte Kinderfrau hatte ihm sogar gesagt, er habe die Gabe der Voraussicht, doch er selbst war nicht abergläubisch genug, um so weit zu gehen. „Als die Bedienstete Eures Gasthofs mir die Blumen zurückbrachte, sagte sie mir, dass ihr heute die Katakomben besuchen wollt. Also beschloss ich, euch zu folgen.“
„Aber wie hast du uns gefunden? Der guida sagte …“
„Jeder römische Junge wird davor gewarnt, in den Katakomben zu spielen“, erwiderte Anthony, „so wie jeder römische Junge, der einen Schuss Pulver wert ist, genau das tut. Vom Abhang her gibt es viele Wege, hinein- und hinauszukommen. Man muss sie nur kennen.“
Zum ersten Mal lächelte sie unter Tränen. Es war ein unsicheres Lächeln, aber das reizendste, das Anthony je gesehen hatte. „Und du kennst sie.“
„Ich kenne sie“, stimmte er zu. „Und ich dachte, du könntest mich vielleicht brauchen.“
„Das tue ich wirklich.“ Erneut überlief sie ein Angstschauer. „Ich kann dir gar nicht genug danken.“
„Ich habe es für dich getan. Nicht, damit du mir dankst.“ Zu ihren Füßen stöhnte Warwick und begann, sich zu rühren. „Komm, wir müssen fort, bevor er aufwacht.“
„Das können wir nicht“, protestierte Diana, „wo er doch beim Versuch, mich zu retten, verletzt wurde!“
„Kann sein, kann auch nicht sein“, meinte Anthony ein wenig zynisch und zündete eine zweite Kerze an. „Tatsache ist, dass du hier nicht sicher bist. Ich bringe dich an einen Ort, wo ich dich außer Gefahr weiß.“
„Aber was wird Miss Wood denken, wo ich hingegangen bin?“
„Wir überlassen es Warwick, es ihr zu erklären.“ Er nahm sie bei der Hand, um sie fortzuführen.
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