Ivanhoe
runzelnd, »Eure Hoheit mögen mich für einen Sachsen halten, wenn mir Cedric, Wilfried oder der Beste, der je aus englischem Blute entsproß, diesen Besitz entreißen könnte, den ich Eurer Hoheit verdanke.«
»Wer Euch einen Sachsen nennt, Baron,« versetzte Cedric, »der erweist Euch eine ebenso große wie unverdiente Ehre.«
Front-de-Boeuf wollte antworten, aber bei Prinz Johann brach jetzt der Mutwille durch.
»Gewiß, Mylords,« spottete er, »Cedric hat recht. Seine Landsleute haben zweierlei vor uns voraus: sie haben längere Stammbäume und längere Mäntel.«
»Sie sind uns auch im Felde voraus,« setzte Malvoisin hinzu, »wie das Wild den Hunden.«
»Ihres edeln Anstandes und ihrer feinen Sitten nicht zu vergessen,« ergänzte Prior Aymer.
»Und ihrer Enthaltsamkeit und Mäßigkeit,« meinte Bracy, indem er ganz vergaß, daß ihm eine sächsische Braut in Aussicht gestellt worden war.
»Und des Mutes, den sie bei Hastings gezeigt haben,« sagte Brian de Bois-Guilbert.
Während also die Höflinge des Prinzen seinem Beispiel folgten und jeder einzelne einen Pfeil des Spottes wider Cedric schoß, erglühte das Antlitz dieses Sachsen in Zorn und Grimm. Er warf wilde Blicke von einem zum andern, als ob es ihm bei den rasch aufeinanderfolgenden Beleidigungen nicht möglich sei, jedem einzelnen zu antworten. Er glich einem gereizten Stier, der, von seinen Peinigern umringt, nicht gleich aus ihrer Schar den herausfinden kann, an dem er sich rächen will. »Wie groß auch die Fehler meines Volkes sein mögen,« erwiderte er dann, »für einen Nichtswürdigen hätten sie den erklärt, der in seiner eigenen Halle beim kreisenden Becher einen friedlichen Gast – und das bin ich doch heute für Eure Hoheit – in solcher Weise behandelt hätte. Und was auch meine Väter bei Hastings für Unglück gehabt haben mögen,« setzte er hinzu, mit einem Blick auf Front-de-Boeuf und den Templer, »wer vor wenigen Stunden noch von der Lanze eines Sachsen aus dem Sattel geworfen wurde, sollte darüber lieber schweigen.«
»Meiner Treu, ein beißender Witz!« rief Prinz Johann. »Wie gefällt er Euch, Mylords? – Unsere sächsischen Untertanen nehmen zu an Geist und Kühnheit. Ich glaube, wir tun am besten daran, unsere Schiffe zu besteigen und nach der Normandie zurückzukehren.«
»Aus Furcht vor ihnen!« setzte Bracy lachend hinzu. »Brauchen wir doch nur zu unseren Speeren zu greifen, um diese Eber zu Paaren zu treiben.«
»Laßt ab von Euerm Gespött, ihr Herren Ritter,« sagte Fitzurse. »Es wäre wohlgetan, wenn Euer Hoheit dem edeln Cedric die Versicherung geben wollte, daß diese Scherzworte nicht darauf angelegt sind, ihn zu beleidigen. Sie mögen freilich im Ohre eines Fremden unsanft klingen.«
»Beleidigen!« rief Prinz Johann, indem er sogleich seine frühere Höflichkeit wieder annahm. »Wer wird mir zutrauen, daß ich es duldete, einen, der bei mir zu Gast ist, in meiner Gegenwart zu beleidigen? Hier fülle ich mein Glas und trinke auf das Wohl des edeln Cedric selber, da er auf die Gesundheit seines Sohnes nicht mittun will.«
Unter dem erheuchelten Beifall der Höflinge machte der Becher die Runde, aber der Sachse ließ sich keinen Sand in die Augen streuen. Wenn es ihm auch an Scharfsinn gebrach, so irrten sich doch alle, die des Glaubens waren, daß ihn diese leere Schmeichelei die Schmähungen vergessen lassen könnte. Er antwortete nicht, und als der Becher wieder beim Prinzen ankam, füllte ihn Johann abermals und rief: »Auf das Wohl des edeln Athelstane von Conningsburgh!«
Der dankte, und zum Beweis, daß er solche Ehre zu schätzen wisse, leerte er seinen gewaltigen Humpen mit einem Zuge.
»Und nun, Ihr Herren,« sagte der Prinz, den der Wein zu erhitzen begann, »haben wir unseren sächsischen Gästen Gerechtigkeit angedeihen lassen und erwarten nun, daß sie unsere Höflichkeit erwidern. – Würdiger Thane,« wandte er sich an Cedric, »nennt uns einen Normannen, dessen Name Euern Mund am wenigsten beflecken mag, und spült mit einem Becher Wein alle Bitternis hinunter, die noch auf Euern Lippen haften möchte.«
Bei diesen Worten des Prinzen war Fitzurse aufgestanden und hinter den Stuhl des Sachsen getreten. Er flüsterte ihm zu, er möge die Gelegenheit, die Mißstimmung zwischen beiden Stämmen beizulegen, nicht ungenützt vorüberlassen und jetzt den Namen des Prinzen nennen. Aber der Sachse achtete nicht auf diesen politischen Wink. Er füllte den Becher bis zum Rande und rief
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