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Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Titel: Ivy - Steinerne Wächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Beth Durst
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ging, je länger sie auf den Blätterwirbel an der Decke starrte. Er beruhigte sie. »Es war ein merkwürdiger Tag. Als ihr den Vineyard Club verlassen hattet, habe ich diesen Jungen mit dem schwarz-orange gestreiften Haar getroffen … «
    »Hmm.«
    »Nicht halb so schön wie grünes«, fügte sie hastig hinzu. »Komm bloß nicht auf dumme Gedanken.«
    »Nichts ist so schön wie grünes Haar«, sagte Mom feierlich und ließ sich ebenfalls nach hinten auf das Bett fallen. Wie sie so nebeneinander lagen, fielen ihre Haare übereinander. »Ist er süß?«
    Lily setzte sich mit einem Ruck auf. »Mom!«
    Ihre Mutter lachte. »Du bist so leicht zu kriegen. Wie kann ich da widerstehen?«
    »Haha. Sehr witzig.« Lily legte sich wieder hin, doch diesmal langsam, sodass sich die Sprungfedern nicht in ihre Wirbelsäule bohren konnten. »Ja. Eigentlich ist er sogar sehr süß. Und außerdem ist er ein Lügner.«
    »Faszinierend. Erzähl mir mehr.«
    Lily setzte zu einer ausführlichen Beschreibung ihres Tages an, verstummte jedoch abrupt, als der Teil kam, wie sie das Buch ihres Vaters gefunden hatte. Sie erwähnte Dad ihrer Mutter gegenüber nur selten. Normalerweise gab es keine Veranlassung – er war nicht Teil ihres Lebens, und bei Moms Gedächtnis … Es war das Beste, nicht von ihm zu sprechen.
    Rose berührte ihre Tochter an der Schulter, knapp neben den Bisswunden, und fragte sanft: »Hat dir dort jemand wehgetan, in der Bibliothek? Du kannst es mir sagen, Lily. Ich bin deine Mutter. Du musst mich nicht beschützen.«
    Doch, muss ich, dachte Lily, sprach es aber nicht laut aus. »Ich habe ein Buch gesehen … «, begann sie.
    Mom tätschelte sie besänftigend. »Ooch, und es waren keine Bilder drin?« Ihre Stimme triefte vor gespielter Anteilnahme.
    Lily lachte und dachte: Mom würde sich gut mit Tye verstehen . Dann sagte sie betont nüchtern: »Natürlich waren Bilder drin. Bilder von Bäumen, um genau zu sein. Und von Fabelwesen, so einer Art Baumgeister.«
    »Auch Hundebabys und Regenbögen?«, neckte Rose. »Bist du sicher, dass du in einer Universitäts bibliothek warst?«
    »Dad hat es geschrieben«, sagte Lily leise.
    Mom verstummte.
    Lily erzählte ihr von all den gefälschten Dissertationen. »Dads war nicht die einzige. Da waren Dutzende, vielleicht sogar Hunderte. Warum sollte sich irgendwer die Mühe machen und einen viele Hundert Seiten langen Scherz aufschreiben? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn.« Sie stützte den Kopf auf einen Ellenbogen und sah ihre Mutter an. Rose stierte verloren an die Decke. »Mom. Was ist denn los?«
    Ihre Mutter griff sich einen Edding, stand auf, durchquerte das Zimmer und begann, den weißen Putz um das Fenster mit Weinranken zu bemalen. Oh-oh, dachte Lily. Über und zwischen den Ranken erschienen pralle Weintrauben und jede Menge Blätter. Die Spitze des Stiftes verbog sich, als Rose ihn immer hektischer gegen die Wand drückte.
    Lily sprang vom Bett. »Ist ja schon gut, Mom. Du musst dich nicht erinnern. Das erwarte ich gar nicht von dir. Bitte, hör auf damit.« Verdammt, dachte sie. Hätte ich bloß nichts gesagt.
    Ein hundeähnliches Gesicht erschien zwischen den Ranken und Trauben. »Du solltest mehr über deinen Vater erfahren«, sagte Mom und zeichnete immer schneller. »Ich sollte dir beschreiben können, wie sein Lächeln aussah, wie seine Stimme klang, was er zum Frühstück mochte, was ihn zum Lachen brachte … « Mit schnellen Schwüngen zeichnete sie einen gebogenen, schlangenartigen Hals. »Aber. Ich. Kann. Mich. Nicht. Erinnern.«
    Lily legte einen Arm um ihre Mutter. »Ist ja gut. Wirklich, es spielt keine Rolle. Vergiss, dass ich was gesagt habe. Weißt du was? Ich erzähle dir von den verrücktesten Absolventenjacken, die ich gesehen habe. Viel schlimmer als durchgeknalltes Zebra.«
    Doch ihre Mutter schüttelte sie ab und zeichnete weiter. Sie malte Fledermausflügel an den schlangenähnlichen Körper. »Ich kann mich nicht mehr an den Tag erinnern, als er starb. Nur an den Krankenwagen. Ich weiß nicht mehr, was wir für ein Auto hatten. Ich weiß auch nichts von dem Unfall. Ich weiß noch nicht mal mehr, wo es eigentlich passiert ist.« Sie zeichnete gebogene, scharfe Krallen. »Ich erinnere mich nicht an den Tag, an dem wir uns kennenlernten. Nicht an den Tag, an dem er mir den Heiratsantrag gemacht hat. Nicht mehr an unsere Hochzeit.« Sie zeichnete Schuppen, die die Form von Tränen hatten. »Ich weiß, dass wir einmal durch einen Garten voller

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