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Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Titel: Ivy - Steinerne Wächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Beth Durst
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Seltsamerweise vermittelte diese Zurschaustellung seiner körperlichen Vorzüge Lily tatsächlich ein Gefühl von Sicherheit.
    »Danke«, sagte sie und meinte es auch so.
    Dann klopfte sie an die Zimmertür. Das Gesinge hielt unvermindert an. Sie probierte den Türknopf. Er ging ganz leicht. Seufzend öffnete sie die Tür. Also ehrlich, konnte Mom nicht wenigstens daran denken, ihr Zimmer abzuschließen? »Mom … «, setzte sie an und verstummte. Ihre Augen weiteten sich entsetzt.
    Oh. Das war gar nicht gut.
    Rose stand auf einem der spartanischen Metallbetten, das sie in die Mitte des Zimmers geschoben hatte. Um ihre nackten Füße herum lagen überall Filzstifte, Kugelschreiber und Bleistifte verstreut. Sie malte an der Decke und schmetterte aus voller Kehle »Everything’s Coming Up Roses«.
    Lily warf einen Blick über die Schulter zu Jake. Sie glaubte nicht, dass er von dort, wo er stand, in das Zimmer sehen konnte. Sie lächelte ihn breit an. »Alles im grünen Bereich«, sagte sie. »Sekunde.« Damit schlüpfte sie in das Zimmer und schloss eilig die Tür hinter sich. »Mom!« Rose hatte einen Edding in der Hand. Einen wischfesten. »Das hier ist nicht unsere Wohnung! Was machst du denn da?«
    Ihre Mutter hob einen blau verschmierten Zeigefinger und bedeutete Lily, still zu sein. Dann fügte sie ein weiteres Blatt hinzu und betrachtete lächelnd das Kunstwerk über ihren Köpfen.
    An der Decke prangte ein kompliziertes Muster aus ineinander verschränkten schwarzen Blättern. Dazwischen tanzten blaue Tupfen wie winzige Stückchen Himmel.
    »Komm da runter«, sagte Lily und deutete nachdrücklich auf den Fußboden. »Wo ist Grandpa? Hat er das hier gesehen?«
    Besorgt legte Mom ihre Stirn in Falten und sah auf sie hinunter. »Lily! Ist das etwa Blut auf deinem T-Shirt?« Sie kletterte vom Bett und begutachtete besorgt die Schulter ihrer Tochter. »Süße, geht es dir gut? Was ist passiert?«
    »Alles in Ordnung«, sagte Lily wie ein Automat, fischte ein frisches T-Shirt aus ihrem Rucksack und zog sich um. Dann wedelte sie mit den Händen Richtung Zimmerdecke. »Was soll denn das werden?«
    »Na ja, wir bleiben ja ein paar Tage, und da dachte ich, ich mach es ein bisschen … « Ihre Stimme verklang, als sie den Ausdruck auf Lilys Gesicht bemerkte. »Oh. Ich habe nicht nachgedacht.« Sie blickte auf den Edding in ihrer Hand. Ihre Finger waren über und über mit blauer und schwarzer Tinte beschmiert. »Es tut mir ja so leid, Lily. Ich weiß doch, wie wichtig dieses Wochenende für dich ist. Ich wollte dir nicht noch mehr Stress machen.«
    Natürlich wollte sie das nicht. Das wollte sie nie. Lily sah seufzend zur Decke hinauf und betrachtete die unzähligen winzigen Blättchen genauer. Zwischen den Zweigen lugten pralle Knospen hervor. Sie glaubte sogar, Tiere und magische Wesen zu sehen: Eichhörnchen und Vögel, winzige Männer mit Flügeln und Elfenmädchen mit großen Augen. »Es ist wunderschön.«
    Mutlos sank Rose auf die Matratze nieder und starrte abwesend ihr Blätterbild an. »Ich musste bloß … du weißt schon. Es war nicht … nicht ganz … zu Hause.«
    Lily setzte sich neben ihre Mutter und rieb sich den Nacken. Sie fühlte sich wie mindestens siebzig. »Ist schon gut. Wir kaufen etwas weiße Farbe, bevor wir abfahren. Wirklich, es könnte schlimmer sein.« Wenigstens hatte kein Affen-Ding Mom zerfleischt, und sie war auch nicht von wild gewordenen Bücherregalen durch die Gegend gescheucht worden. Es stand Lily nicht zu, sie zu verurteilen. »Wir hätten dich nicht hier allein lassen sollen, ehe du dich eingewöhnt hast.«
    Mom tätschelte ihr Knie. »Sei nicht albern. Du hast doch deinen Test.«
    Lily zögerte. Sie wusste nicht, wie sie ihrer Mutter beibringen sollte, dass dieser Test völlig irre war. Es war ihr in Fleisch und Blut übergegangen, unangenehme Nachrichten von Mom fernzuhalten. Lily ließ sich rückwärts aufs Bett fallen. Sprungfedern bohrten sich in ihren Rücken. »Aua.«
    »Ja, wirklich Aua«, stimmte ihre Mutter zu und stupste die Matratze an. »Wenn du hier einziehst, musst du deinen Futon mitnehmen und einen ganzen Haufen Kissen. Wir sorgen dafür, dass es mehr wie zu Hause aussieht, wenn es erstmal dein Zimmer ist.« Sie wedelte mit der Hand Richtung Decke.
    »Ich glaube trotzdem nicht, dass sie dich dann die Wände bemalen lassen«, sagte Lily.
    Mom zuckte zusammen. »Ich mache dir nur Kummer.«
    »Ist schon gut. Ehrlich.« Das Lustige war, dass es Lily wirklich besser

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