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Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Titel: Ivy - Steinerne Wächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Beth Durst
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auf die Bäume im Park mit Sechsjährigen. Keine Blumen im Haar. Kein falsches Gesinge aus voller Kehle in der Gemüseabteilung des Supermarkts. Keine bizarre Abneigung gegen Autos oder Kinos oder Kellergeschosse. Doch wenn eine verrückte Vorstellung Lilys an ihrer Traumuni dazu beitragen konnte, Mom bei Verstand zu halten (oder zumindest halbwegs), dann blieb ihr gar keine andere Wahl, auch wenn sie nackt im Mondschein tanzen müsste, um es mal so auszudrücken. »Und nun?«, fragte sie sich selbst. »Was ist denn jetzt mein nächster Hinweis?«
    Der Stein unter ihr erzitterte, und eine leise Stimme sagte: »Ich.«
    Das war nicht Jake gewesen. Lily sah sich um. Auch am Fenster stand niemand. »Wer hat das gesagt?«, fragte sie, und in ihr machte sich das niederschmetternde Gefühl breit, dass ihr die Antwort nicht gefallen würde.
    Wieder erbebte der Stein, und dieselbe Stimme sagte: » Ich bin dein Hinweis.«
    Sie beugte sich zur Seite und suchte die Fassade unterhalb der Steinfigur nach Mikrofon und Lautsprecher ab. Nichts zu sehen. »Herr Affe«, fragte sie ganz ruhig, »sind Sie das?« Diesmal würde sie sich nicht von den Old Boys aus dem Konzept bringen lassen. Irgendwie mussten die noch einen zweiten Gargoyle manipuliert haben.
    »Ape. Professor Ape, wenn ich bitten darf«, sagte der steinerne Affe mit der gleichen sandig-weichen Stimme. »Ich bekleide einen Lehrstuhl.« Er gluckste, als hätte er einen guten Witz gemacht.
    »Schön, Sie kennenzulernen, Professor Ape«, antwortete Lily. »Also, spreche ich jetzt über Mikrofon mit jemandem in Vineyard Club, oder ist das eine Aufzeichnung? Sind Sie interaktiv programmiert?«
    Der Gargoyle seufzte. »Ich würde es begrüßen, wenn wir auf all diesen Unsinn von wegen ›Das soll wohl ein Scherz sein‹ oder ›Das kann einfach nicht wahr sein‹ oder ›Das muss ein Traum sein‹ verzichten könnten. Wollen wir uns nicht einfach darauf einigen, dass ich ein magisches Wesen aus einer Parallelwelt bin, und diese Lektion abhaken?«
    Lily musste lachen. Zumindest hatte der Besitzer der Stimme Sinn für Humor.
    Der Affe seufzte wieder, und der Stein unter ihr verschob sich. Lily fragte sich, wie die das wohl anstellten. »Aha«, meinte er dann. »Eine von der Sorte. Also schön. Bitte fahre fort mit deinem Vortrag darüber, warum ich nicht real sein kann und dass es sich bei mir um einen raffinierten Trick handeln muss, der mit Hilfe von Handpuppen und/oder Robotertechnik erzeugt wird. Ich schlafe weiter, bis du fertig bist. Ich muss sparsam mit meiner Magie umgehen.«
    Irgendjemand in Vineyard Club schien eine leicht übertriebene Schwäche für Fantasy-Romane zu hegen. Aber sie konnte ja mitspielen. »Was meinen Sie mit ›sparsam mit Ihrer Magie umgehen‹?«
    Seine Stimme hellte sich auf. »Ah, du hast dich entschlossen, Vernunft anzunehmen! Fabelhaft! Dann wollen wir mal.« Seine Stimme nahm einen gelehrten Tonfall an, und er begann seinen Vortrag. »Zunächst einmal musst du Folgendes verstehen: Es gibt zwei Welten. Parallelwelten, wenn du so willst. An vielen Punkten sind sie nahezu identisch, und doch gibt es einen überaus wichtigen Unterschied. Deine Welt wird von Menschen und anderen mit ihnen in Beziehung stehenden Wesen bewohnt, während meine Welt bevölkert ist von Wesen, die du – in Ermangelung eines besseren Terminus – als ›magische Wesen‹ bezeichnen würdest. Kannst du mir so weit folgen?«
    »Parallelwelten«, wiederholte Lily. »Magische Wesen.« Sie versuchte, ernsthaft zu klingen, doch es misslang. Sie wünschte, sie hätte mehr Fantasy gelesen. Mom besaß ganze Stapel von Tolkien-Plagiaten, die sie in allen Ecken und Winkeln ihrer gemeinsamen Wohnung hortete. Lily jedoch hatte seit Band eins der »Chroniken von Narnia« in der vierten Klasse nichts dergleichen mehr gelesen. Ihr war die Lust daran vergangen, als in den Halluzinationen ihrer Mutter zum ersten Mal ein Elf vorgekommen war. Und jetzt hatte sie das Gefühl, sich durch eine Prüfung zu mogeln, für die sie nicht gelernt hatte. Oh , Augenblick mal, dachte sie, ich mogle mich durch eine Prüfung, für die ich nicht gelernt habe.
    »Kein Grund, so skeptisch zu klingen«, sagte der Affe. »Du sprichst mit einem Gargoyle.«
    Oder, genauer gesagt, sie sprach mit einem Typen im Keller von Vineyard Club. Für wie naiv hielten die sie eigentlich? Lily sah hinunter auf den Gehweg und fragte sich, ob Jake wohl eingeweiht war in diese Scharade. Er war viel zu weit weg, als dass er die

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