Ja, Liebling
das alles verhalf ihr nicht zu Standfestigkeit gegenüber ihren Nichten.
Sie kamen um fünf Uhr und schleppten, begleitet von Cecily, das sorgfältig eingepackte Bild herein. Sie waren ganz aufgeregt und verboten Margaret, die Augen zu öffnen, bevor sie fertig waren. Diese Idee fand Margaret nun wieder furchtbar nett von ihnen. Sie wollten ihr wirklich eine Freude machen, wie das früher manchmal der Fall gewesen war, nachdem es Streit mit Hervey gegeben hatte.
Dann rief Elinor: »Jetzt! Jetzt darfst du schauen. Ist es nicht wunderbar?«
Margaret schaute, rieb sich verwundert die Augen, schaute noch einmal. Das Bild war immer noch da. Es war immer noch so ungewöhnlich wie zuvor: ein Durcheinander verwirrender Farben. Die beiden Nichten starrten es hingerissen an und selbst Cecily, die etwas kritischer eingestellt war, bewunderte es. Sie sagte: »Dieses Blaßgrün ist sehr gut. Hast du schon einmal etwas Ähnliches gesehen, Marge?«
»Nein, Liebling«, sagte Margaret schwach, aber wahrheitsgetreu. »Noch nie. Ich kann mir nur nichts darunter vorstellen. Seid ihr sicher, daß es nicht auf dem Kopf steht?«
Cecily lachte, aber Elinor verdrehte verzweifelt die Augen und Philippa machte ihr ungeduldig-geduldiges Gesicht. »Wirklich, Margaret, und das nach all unserer Mühe. Ich bin so lange in der Ausstellung herumgelaufen, daß ich meine Füße nicht mehr spüre. Und wir haben geglaubt, wir tun dir einen Gefallen!«
Elinor drückte sich noch vorwurfsvoller aus: »Wir sind doch nur deinetwegen hingegangen. Ich habe dafür auf eine wirklich großartige Party verzichtet. Und wir haben Geoff Nicholls um Rat gefragt, ihm dein Zimmer beschrieben und alles drumherum. Er hat gesagt, das ist ganz genau das richtige Bild, und er muß es schließlich wissen.«
Cecily stellte sich jetzt ganz offen auf die Seite der Mädchen. »Die Farben sind wirklich gut geglückt. Das Grün mit dem Purpur und dem goldenen Hintergrund zum Beispiel. Was gefällt dir daran nicht, Maggie?«
Margaret war bedrückt. »Von moderner Kunst verstehe ich eben nichts. Ich weiß, ich bin dumm, aber was soll es denn darstellen?«
»Darstellen?« wiederholte Philippa verächtlich. »Wir haben doch wohl die Zeit überwunden, wo jedes Bild eine Geschichte erzählen muß. Wer mag denn heute noch darstellende Kunst? Erkennst du denn nicht, daß diese Frau einen Sonnenuntergang bewundert?«
»Ist das der Grund, warum das eine Auge so viel höher liegt als das andere?« stotterte Margaret. »Und das Gesicht ist hellgrün und viel zu groß, dafür ist der Hals zu dünn.«
Nun wandte sich selbst Cecily gegen sie. »Wirklich, Marge, das klingt nicht sehr intelligent. Der Sonnenuntergang spiegelt sich in ihrem Gesicht, und ihre Augen liegen nicht auf gleicher Ebene, weil der Künstler sie nun einmal so gesehen hat.«
Margaret dachte bei sich, daß der Künstler bestimmt nicht ganz richtig im Kopf war, meinte aber gehorsam, ja, das erkläre alles.
Philippa schlug einen schärferen Ton an, als sie ihn sonst ihrer Tante gegenüber gebrauchte. »Wenn du es nicht haben willst, dann mußt du es ja nicht nehmen. Das Bild war sehr günstig zu bekommen, weil der Mann noch neu ist, aber es wird schon bald wertvoll werden. Ich will es dir gern abnehmen.«
Elinor fügte grob hinzu: »Und dann kannst du dir das >Stilleben im Hafen< oder >Der Liebesbrief< und ähnlichen Quatsch besorgen.«
Darüber war Margaret nun wiederum verärgert und erklärte würdevoll: »So etwas möchte ich nicht hierhaben. Euer Onkel verstand sehr viel von Bildern, ich habe manches von ihm gelernt. Ich bin nicht sehr klug, aber...« Im gleichen Augenblick wurde ihr klar, daß sie diesen Satz seit Jahren wiederholte und damit jedermann verärgerte.
Elinor schnappte zurück: »Ich kann das nicht mehr hören wie du das sagst und dann die Hände in den Schoß legst und gar nichts tust. Niemand muß dumm sein; aber du hast einen von diesen blödsinnigen Minderwertigkeitskomplexen, drum bist du ein hoffnungsloser Fall.«
Das war zuviel für Cecily. »Ach, halt doch den Mund, Elinor. Margarets Minderwertigkeitskomplex ist immer noch besser als deine Hochnäsigkeit. Aber Maggie, das Bild ist wirklich in Ordnung. Es wird dir bald gefallen und es hebt das ganze Zimmer. Aber wenn du es nicht haben willst, dann sag es doch.«
Elinor fügte hinzu: »Ja, warum muckst du nicht einmal auf und sagst uns, was du wirklich willst?«
Margaret gab sich wie üblich geschlagen und ärgerte sich über ihre eigene
Weitere Kostenlose Bücher