Ja, Liebling
Margaret beobachtete ihren Erfolg mit respektvoller Bewunderung und wußte, daß sie sich dabei in geradezu alberner Weise zur Sklavin machte.
Aber wen sonst hätte sie in diesen sieben Jahren lieben sollen? Nicht Hervey; das erkannte sie allerdings erst nach dem ersten Jahr ihrer Ehe, das so furchtbar mit dem Tod des Sohnes endete, den sie ihm geboren hatte. Für sie war das ein vernichtender Schlag und für Hervey eine bittere Enttäuschung. Sie warf sich vor, wieder einmal versagt zu haben.
Nach Herveys Tod blieb sie in dem protzigen Haus in der Großstadt, obwohl sie es nicht als das ihre betrachten konnte und wußte, daß sie nicht viel mehr dort war als eine bessere Haushälterin. Aber dann kam schließlich ihre Chance. Der Farmer, der ihr altes Heim und den Milchbetrieb gepachtet hatte, kündigte den Vertrag vor etwas mehr als einem Jahr. Er hatte die Farm fünf Jahre lang gepachtet — während der langen Krankheit, die John Seton in ein Pflegeheim verbannte, und das Jahr danach. Aber als der Farmer wegzog, unternahm Margaret zunächst nichts. Die Erbschaftssteuern waren beträchtlich, und ihre Angelegenheiten mußten erst einmal wieder in Ordnung kommen. Die Nachlaßverwalter hatten einen zuverlässigen Verwalter eingesetzt, der wieder Ordnung in die vernachlässigte Farm brachte. Margaret wartete und fragte sich, ob wohl jemals der Tag kommen würde, an dem sie dorthin zurückkehren konnte.
Dann kam ihr das Schicksal zu Hilfe. Philippa hatte ihr von einem jungen Ehepaar erzählt, mit dem sie befreundet war. Die jungen Leute wollten für drei Monate ein Haus mieten, weil ihres noch im Bau war. Zur allgemeinen Überraschung hatte Margaret ihnen Herveys Haus angeboten und verkündet, sie hätte eine Luftveränderung nötig und wollte für eine Weile auf ihre Farm ziehen.
Für eine Weile — damit hatte sie nur die Opposition beruhigt; in Wirklichkeit aber war sie fest entschlossen, dort zu bleiben. Da sie ängstlich und so lange von den drei Mädchen regiert worden war, wagte sie es nicht, mit einem Schlag für klare Verhältnisse zu sorgen. Sie nannte sich zwar selbst einen Feigling, beschloß aber, die Sache erst einmal laufenzulassen. Sie würden es schon noch erfahren.
Elinor kam von einer raschen Besichtigung des Hauses zurück und sagte: »Margaret, du träumst. Sieh dir mal diese Kisten an. Was in aller Welt hast du vor?«
In diesem Augenblick, als Margaret auf der Veranda ihres Elternhauses stand, wußte sie plötzlich, was an ihrem Leben bisher nicht gestimmt hatte: Es war gar kein richtiges Leben gewesen. Vom Tod ihrer Mutter an — Margaret war damals zehn — hatte sie nur noch existiert. Sie hatte ihre Mutter angebetet und die Mutter hatte all ihre Liebe dem Spätankömmling geschenkt. Anne Seton war schon vierundvierzig gewesen, als das Kind geboren wurde. Ihr Ehemann war von dieser Ungehörigkeit peinlich berührt. Da ihr zweiundzwanzig Jahre früher geborener Sohn sich »irgendwo im Mittleren Osten« aufhielt, ging Anne ganz in ihrer hübschen kleinen Tochter auf. Sie lebte aber nur noch zehn Jahre, in denen sie sich an ihr freuen konnte.
Mit dem Tod ihrer Mutter war Margarets Leben ziemlich freudlos. Man schickte sie auf ein Internat, und an einem trüben Tag brachte ihr die Schulleiterin bei, daß ihr einziger Bruder gefallen sei. Sie hatte fast acht Jahre in der Schule verbracht und kehrte nur gezwungenermaßen in den Ferien nach Hause zurück, weil John Seton das für seine und ihre Pflicht hielt. Als ihr Hervey Neville am Gartentor begegnete, war sie kaum ein Jahr zu Hause gewesen. Heute gab sie ganz offen zu, daß dieses Zusammentreffen und seine leidenschaftliche Werbung sie einfach kopflos gemacht hatten. Die erste Begeisterung erlosch schon bald, als die beiden Nichten ins Haus kamen. Elinor und Philippa waren groß, schlank, sehr hübsch und in Herveys Haus viel mehr heimisch als seine Frau es jemals wurde. Sie betrachteten Margaret ein wenig geringschätzig. Warum in aller Welt hatte Onkel Hervey ausgerechnet dieses Mädchen vom Lande geheiratet? Natürlich war sie hübsch, aber trotzdem... Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich mit Margaret abzufinden, und mit der Zeit mochten sie sie auf ihre gleichgültige Art und Weise recht gut leiden. Margaret war nervös, aber ihnen gegenüber freundlich und stellte sich bei Streitigkeiten stets auf ihre Seite. So gelangten die Mädchen zu dem Schluß, daß Margaret zwar beklagenswert schüchtern und ohne Rückgrat, für sie
Weitere Kostenlose Bücher