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Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Titel: Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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geboren. Ein Teufelskreis.
    Als ich damals nach Berlin zog, wollte ich diesem Wahnsinn entfliehen. Um ehrlich zu sein, ist meine Familie einer der Hauptgründe, aus denen ich die Hochzeitsvorbereitungen bislang vor mir hergeschoben habe. Nicht aus Angst, die aus dem Norden könnten sich mit denen aus dem Süden nicht verstehen. Von wegen! Meine Verwandtschaft ist in Sachen Geselligkeit führend. Jeder Einzelne von ihnen, und es sind viele. Zu viele. Die können unmöglich alle zu unserer Hochzeit kommen.
    Als ich Knoll um seine Meinung zu dem Thema bitte, meint er, ich solle einfach alle einladen, die ich kenne. Auch die «Adabeis». Die kenne ich nicht.
    «Seid ihr mit denen verwandt?», frage ich, aber Knoll schüttelt bloß in einem Anflug leiser Verzweiflung den Kopf.
    Später frage ich Roni nach ihrem persönlichen Verhältnis zur Familie Adabei, von der ich noch nie gehört habe, die wir aber gern einladen können, wo Roni doch so wenig Verwandtschaft hat und ich mich über jeden Gast von ihrer Seite freue. Sie erklärt mir, dass «Adabei» auf Bairisch «Wichtigtuer» bedeute, gemeint sind all diejenigen, die immerzu «Auch dabei» sein wollen.
    Also werden die Adabeis nicht eingeladen. Und die anderen? Roni kommt, alle Verwandten und Freunde eingerechnet, auf rund 40 Leute. Sie hat halt eine kleine Familie. Bei mir sind es knapp 300. Die meisten lassen zwar kaum von sich hören, zum Feiern werden sie aber trotzdem kommen wollen.
    Weil wir uns nicht einigen können, ob die Berliner oder die Bayern mehr trinken, rechnen wir einfach mal mit hundert Euro pro Kopf. Das wären dann 34 000 Euro.
    So viel haben wir nicht.
    Wir müssen, besser gesagt ich muss, Leute von der Gästeliste streichen. Um irgendein Selektionskriterium zu finden, beschließe ich, nur diejenigen einzuladen, die ich in den vergangenen fünf Jahren gesehen oder gesprochen habe. Wenn wir nun aber nach Tiefenwalde fahren und meine komplette Sippe treffen, sitze ich in der Patsche. Wen soll ich auswählen? Vielleicht wäre ein Casting mit Re-und Re-Recall die Lösung? Mir wird ganz flau.
    «Lass uns zu dieser Grünkohlwanderung fahren, ja?», bittet Roni abends im Bett. «Ich würde deine Familie so gern vor der Hochzeit kennenlernen.»
    Mir wird noch flauer.
    «Natürlich, wir fahren hin, irgendwann. Aber vielleicht nicht zur Grünkohlwanderung. Da wird bloß Schnaps getrunken, Kohl gegessen, und am nächsten Tag hat man einen Kater und fürchterliche Blähungen. Da bekommst du einen völlig falschen Eindruck.»
    «Klingt doch lustig.»
    «Ist es aber nicht.»
    «Also, wann fahren wir?», hakt Roni nach. Da klingelt es an der Tür. Glück gehabt. Ich springe auf.
    Als ich die Klinke in die Hand nehme, habe ich kurz ein mulmiges Gefühl. Ich öffne trotzdem. Vor mir steht ein Typ in meinem Alter, der mir erstaunlich ähnlich sieht; seine Haut ist nur etwas gebräunter, er hat ein paar Lachfältchen mehr im Gesicht und ein paar Kilo weniger auf den Hüften. Er trägt eine Art eng anliegenden Rentierpulli und erinnert im Ganzen an eine Andenversion von Brad Pitt.
    «Oh!», sagt er, als er mich sieht, und versteckt einen Strauß roter Rosen hinter seinem Rücken.
    «Kann ich Ihnen helfen?»
    «Ich», sagt er zögernd, «ich wollte zu Vero.»
    «Da müssen Sie sich geirrt haben», sage ich. «Hier gibt es keine Vero.» Ein unbehagliches Kribbeln schleicht von meinem Nacken rauf zur Schädeldecke.
    «Wer ist denn da?», höre ich Roni aus dem Schlafzimmer rufen. Das Gesicht des Typen hellt sich auf. Er holt die Rosen wieder hervor. «Vero?»
    Endlich zähle ich «Vero», «Roni» plus die Rosen zusammen und komme zu einem Ergebnis, das mir gar nicht gefällt. Ich brenne dem Typen den fiesesten Blick auf, zu dem ich fähig bin, und knalle die Tür zu. Mit klopfendem Herzen höre ich seine Schritte im Treppenhaus verklingen.
    Als ich zurück unter die Bettdecke krieche, ist Roni schon fast eingeschlafen. Sie will nur noch wissen, wer da geklingelt hat.
    «Ein Skandinavier mit Blumen», antworte ich. «Hatte sich in der Tür geirrt.»
    Roni flüstert mit geschlossenen Augen: «Fürchte die Dänen, auch wenn sie Geschenke bringen.» Dann legt sie den Kopf auf meine Brust und schläft ein. Auch wenn sie, wie jetzt, schon nach wenigen Atemzügen in ein leichtes Schnarchen verfällt: Ich werde bis aufs Blut um sie kämpfen – ganz gleich, ob gegen Danaer, Skandinavier oder Exiltibeter.

DAHOAM IS DAHOAM
    (hochdeutsch: Zu Hause ist zu Hause)
    Am nächsten

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