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Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Titel: Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Topf ist ohnehin nicht mehr zu erkennen, ob er vom Feld, aus der Kühltruhe oder dem Germanischen Museum kommt.
    Doch von alldem will Roni nichts wissen. Sie meint: «Vorurteil ist selten geil.»
    «Wenn wir wieder da sind, könnten wir mit der Suche nach einem Hochzeitssaal beginnen», schlage ich vor.
    Roni steckt erneut den Kopf aus der Dusche.
    «Warum hast du es eigentlich plötzlich so eilig? Bist wohl scharf auf die bayerische Staatsbürgerschaft, was?»
    «Eher auf eine bestimmte bayerische Staatsbürgerin.»
    Als ich später den Müll runterbringen will, begegne ich Walli. Sie steht auf der Treppe nach oben, blass, die Augenringe reichen bis zu den Wangen. Ihr Blick wirkt verkniffen, fast feindselig.
    «Grüß Gott, Frau Vermieterin», sage ich. «Ist alles in Ordnung?»
    Walli schnaubt, zieht ihre Lockpfeife aus dem Ausschnitt und fuchtelt damit vor meiner Nase herum. «Sog du’s mia, du Auskauda!» Schwer atmend steigt sie die Treppen herunter, kommt auf mich zu. «Wo is die Kaneuwanzn?»
    «Na, wahrscheinlich im Kanu, wenn es eine Kanuwanze ist, oder?»
    Das findet sie offenbar überhaupt nicht witzig. Sie starrt mich an, als würde ich in der Wohnung heimlich angeschossene Rehe gesund pflegen.
    «Walli, ich habe keine Ahnung, wovon du redest.»
    «I hob dia vazäit, das i koa Logisleit ned dahoam hom wui.» Drohend führt sie ihre Pfeife an die Lippen.
    «Untermieter?», stottere ich. Verdammt, wir sind aufgeflogen. «A-aber Walli, wir würden doch nie …»
    «Wos sogst? Des wui i seign. Du gehst obi.»
    Gehorsam gehe ich eine Treppenstufe nach oben. Ein Fehler. Walli bläst kurz und heftig in die Pfeife. Es klingt wie der Schrei eines Kanarienvogels, der beim Frühstücksfreiflug in den Toaster geraten ist. Walli lässt die Pfeife aus dem Mund zurück in die Dunkelheit ihres Dekolletés plumpsen.
    «Obi hob i gsogt, ned auffe. Jetzt geihst fiere.»
    «Aber wir sind schon im vierten!»
    Sie deutet mit dem Kinn auf unsere Haustür. Na, fabelhaft. Eine bayerische Razzia. Ich öffne die Tür und betrete mit Walli die Wohnung.
    «Roni, ich habe Walli getroffen. Nicht erschrecken, sie hat eine Pfeife.»
    Roni öffnet die Badezimmertür. «Sie hat was ?», fragt sie. Allmählich kommt mir die ganze Situation ziemlich skurril vor.
    «Walli macht Jagd auf Untermieter», erkläre ich. Roni verdreht die Augen. Unsere Vermieterin begibt sich indessen auf die Pirsch. Wie die amerikanischen Spezialeinheiten im Fernsehen marschiert sie erst ins Schlafzimmer, ins Arbeitszimmer, dann in die Küche – immer mit gezogener Lockpfeife. In jedem Raum bläst sie kurz, aber heftig hinein. Aber kein Jochen kommt aus seinem Bau gekrochen.
    Beim Anblick des Bettes im Wohnzimmer stutzt sie.
    «Wea schloft hia?»
    Seufzend setze ich mich auf die Bettkante. «Walli, es ist … wie soll ich sagen …» Ich hole Luft, will Kraft sammeln für mein Geständnis. Doch plötzlich weicht die Anspannung aus Wallis Körper.
    «Eha.» Sie räuspert sich. «Jo, des is bled, i moan, des duad mia leid. Oba i hobs aich gsogt, so a Houzaht ko oam die Liab verlein.» Sie setzt sich neben mich und schüttelt den Kopf. Dann legt sie mir tröstend den Arm um die Schultern.
    «Jetzat steh ich bled do.» Sie schnieft. «I bin a bissal Ballawatsch. Da Arni und i … des laaft aa ned so guad. Mia hom die Hochzeitsscheibn obghängt.» Während der letzten Worte kullert eine Träne aus dem faltigen Winkel ihres rechten Auges.
    Jetzt verstehe ich: Sie glaubt, ich schlafe im Wohnzimmer, weil es zwischen Roni und mir kriselt. Ich fühle mich unwohl bei der Lüge, aber wenigstens ist Jochen aus der Schusslinie. Sicherheitshalber seufze ich noch einmal unglücklich auf und lasse meinen Kopf an ihre Schulter plumpsen. Sie tätschelt ihn.
    «Ja mei, so is des hoit manch amoi.» Dann kramt sie in ihrer Tasche und zieht einen Schlüssel heraus. «Des is da Zweitschlissl. Den brachst am End. I kehr ers amoi vor moana Dür.»
    Roni ist im Bademantel ins Wohnzimmer gekommen und schaut mich fragend an. Walli steht auf und streicht auch ihr übers Haar. Ein wenig perplex lässt Roni es geschehen.
    «Ned schimpfa, ea is a guada», sagt Walli beschwichtigend. «Zammhoitn miassts. Sorgts ia aich um aier Houzaht. Ois Liabe.»
    Mit verschleiertem Blick kehrt Walli aus unserem Liebesnest zurück in das, was von ihrem eigenen noch übrig ist.

SPEZL
    (hochdeutsch: Guter Freund)
    Kurz nach der Razzia taucht Jochen wieder auf – genau wie früher in Berlin. «Alter, ich habe

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