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Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Titel: Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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ich unseren Bürgermeister, wann es denn losgehen soll.
    «Wenn Carsten gefegt hat», antwortet der ernsthaft.
    Kurz darauf bricht lautes Gejohle los, und ich sehe eine Horde junger Männer die Fahlenberger Straße herunterkommen. Der vorderste trägt einen Trenchcoat und eine schwarze Perücke. Die Hintermänner gröhlen: «Carsten wird heut’ dreißig, drum muss er fegen fleißig!» Offenbar sind sie alle total blau.
    «Genau wegen solcher Typen bin ich hier weg», flüstere ich Roni ins Ohr und schüttele angewidert den Kopf. «Immer dieser besoffene Gruppenspaß!»
    Jeder der Männer trägt einen Eimer, dessen Gewicht ihn schwer zu einer Seite herunterzieht. Als die Typen am Platz angekommen sind, klimpern zigtausende Kronkorken aus den Eimern über die Rathaustreppen.
    «Carsten, Carsten!», skandieren die Tiefenwalder. Der Angesprochene lässt den Trenchcoat fallen und präsentiert sich vor dem versammelten Dorf in einem roten Stringtanga mit Rüssel-Applikation.
    Roni beugt sich zu mir. «Was ist denn hier los?»
    «Das ist so eine Art Initiationsritus», erkläre ich. «Wer hier mit dreißig noch nicht verheiratet ist, muss die Rathaustreppen fegen.»
    «Wissen die, dass wir auch noch nicht verheiratet sind?»
    «Pscht!»
    Einer der Burschen drückt Carsten einen Spielzeugbesen in die Hand. Unter dem rhythmischen Geklatsche der Tiefenwalder beginnt Carsten zu fegen. Doch immer wieder entwischt ein Kind aus der Menge und trampelt genüsslich durch die Kronkorken, sodass Carsten nicht wirklich vorankommt.
    «Kann nicht mal einer die Kinder zurückhalten?», fragt Roni. «Das ist ja demütigend.»
    In dem Moment löst sich mein Onkel Fritz aus der Menge und schlurft direkt durch den gerade halbwegs zusammengekehrten Haufen.
    Carsten richtet sich jetzt öfter mal auf und drückt das Kreuz durch. Anscheinend erste Alterserscheinungen. Und er hat nicht mal eine Frau, die ihm den Rücken stärkt.
    «Wie lange muss der arme Kerl noch fegen?», will Roni wissen.
    «Bis ihn eine Jungfrau küsst.»
    «Das ist ja eine Syphilis-Arbeit.»
    «Na ja, meistens bringt einfach jemand aus dem Freundeskreis seine kleine Schwester zum Küssen mit.»
    «Ihr seid doch pervers.»
    In diesem Moment bricht Carstens Besenstiel durch, wahrscheinlich war er angesägt. Carsten hält beide Hälften grinsend in die Höhe. Und schaut mir direkt in die Augen.
    «Butzi?», fragt er.
    «Hallo, Carsten.»
    Aus dem Stand sprintet der eben noch müde nackte Kerl los und fällt mir um den Hals. Er riecht nach Schweiß und Bier.
    «Mönsch, Butzi, alte Säge», ruft er, lacht und knufft mich in die Seite. «Wie geht’s, wie steht’s?»
    «Ach, ganz gut. Das ist übrigens Roni, meine – äh – Frau.»
    Sie schüttelt ihm die Hand.
    «Hallo», sagt Carsten. «Normalerweise habe ich mehr an.» Sein Blick fällt auf Ronis Ringfinger.
    «Das ist ja mal ein fetter Ring. Respekt!»
    Ich lächle geschmeichelt.
    «Na ja, der Ehering wird etwas schlichter ausfallen.»
    «Also seid ihr noch gar nicht verheiratet!»
    «Doch, doch, wir haben nur den Ring noch nicht …», druckse ich.
    «Aber dann hättest du deinen ältesten Freund doch wohl eingeladen, oder?»
    Ich schaue mal auf den Boden, ob da noch viele Kronkorken liegen. Carsten wendet sich an Roni.
    «Ich frage so etwas normalerweise nicht, wenn ich jemanden gerade erst kennengelernt habe, aber mein Kumpel Harry hat sich mit seiner kleinen Schwester zerstritten, und in Tiefenwalde habe ich einen gewissen Ruf bei unverheirateten Frauen. Würde es dir etwas ausmachen, mich zu küssen?»
    Roni schaut nun auch zu den Kronkorken.
    «Nun ja, versteh mich nicht falsch, aber der Butzi ist nicht mein erster Freund …»
    Carsten lacht.
    «Ach, das mit der Jungfräulichkeit sehen wir heute nicht mehr so eng. Hauptsache, ihr seid noch nicht verheiratet.»
    Hinter ihm klirrt der Bürgermeister unter dem Beifall seiner Gemeinde fröhlich durch die Kronkorken.
    «Carsten», ruft er. «Hier gibt’s noch Arbeit!»
    «Von wegen. Ich habe eine Jungfrau gefunden!»
    «In Tiefenwalde?», fragt der Bürgermeister erstaunt. «Kann nicht sein.»
    Carsten führt Roni auf die Treppen. Sie macht einen Knicks. Ein Raunen geht durch die Tiefenwalder. Carsten beugt sich vor. Ich mag gar nicht hinsehen.
    Roni nimmt seinen Kopf in beide Hände und drückt ihm einen dicken Kuss auf die Wange.
    Tiefenwalde applaudiert. Carstens Kumpel reichen ihm den Trenchcoat. Meine Verlobte kommt zu mir zurück.
    «Seltsam. Kaum bin ich einen

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