Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
partout nicht mehr einfallen will.
«Hallo, Butzi», sagt der Mann.
«Hallo», sage ich und ordne meine Haare, während Mike neben Roni schlendert. Ich lausche, was die beiden da reden.
«Sag mal, wie stehst du eigentlich zum Thema Junggesellenabschied?», will er wissen.
Ronis Zunge ist schon etwas schwer. «Das ist mir so wurscht, wie wenn in China ein Sack Mais umfällt.»
«Mais?»
«Mmmais.»
«Also ist es dir nicht wurscht.»
«Er baut halt doch meistens Mist, wenn keiner auf ihn aufpasst.»
Mike sieht Roni mit dem verständigen Blick eines Mannes an, dem der Cousin in jungen Jahren das nagelneue Mofa in eine Tanne gesetzt hat.
«Ich weiß. Er war schon immer so.»
Ich schaue angestrengt nach vorn und erkenne dort eindeutig einen Mast.
«Zickezackezickezacke!»
Später erzählt mir Roni, Mike habe ihr einiges über Grünkohl beigebracht: Zum Beispiel, dass er im nur zwanzig Kilometer entfernten Niedersachsen, wo ihre Mutter herkommt, Braunkohl heißt. Das hat nichts mit Braunkohle zu tun, der grüne Kohl wird bloß so lange gekocht, bis sein Farbton ins Bräunliche kippt. Wenn er dagegen noch frisch ist, nennt man ihn «lippische Palme», da die Blätter palmenartig nach außen wachsen.
Es ist schön, wieder durch die alten Wälder zu spazieren. Auf dem Weg liegen Bucheckern, Vögel zwitschern, und ganz in der Nähe hämmert ein Specht. Hier und da stehen vereinzelte Rehe auf den Lichtungen. Auch die Trinkordnung hat sich gelockert: Manch einer nutzt die Stopps, um ein Stück Stracke zu essen oder zu verschnaufen. Ich borge mir Bennis Taschenmesser und ritze «S+R=100%Love» in einen Baum. So etwas habe ich lang nicht mehr gemacht. Ich atme tief durch. Die Luft hier ist wirklich gut.
Ein paar rotgesichtige Lümmel mit Bartflaum tippen zwischendurch auf ihren Mobiltelefonen. Die neue Generation Dorfjugend steht anscheinend eher auf WAP als auf Wald. Ich will ja niemanden falsch verdächtigen, aber ich kenne solche Verhaltensweisen aus Reportagen über Hooligans, die sich mit verfeindeten Gruppen zum Prügeln verabreden. Aber das ist wahrscheinlich bloß Großstädter-Paranoia. Hier geht es so friedlich zu wie im Auen-oder im Småland.
Roni ist voll und ganz damit beschäftigt, nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Meine Mutter hat sich rechts bei ihr eingehakt, meine Oma links. Die drei bilden die mittleren Glieder in einer Kette von Frauen, die wegfüllend voranschreiten, um nach kürzlich errichteten Kreuzungen und neuen Masten Ausschau zu halten.
Wenn ich nur wüsste, was die drei da die ganze Zeit tuscheln. Hoffentlich versucht meine Mutter nicht, Roni die Ehe auszureden. Aber die fühlt sich anscheinend pudelwohl, denn sie lacht und plaudert, als wäre sie schon immer Teil meiner Familie gewesen.
Ich schließe zu Roni auf und muss erkennen, dass ich ihren Alkoholpegel nicht mehr erreichen kann. «Vielleicht solltest du jetzt mal ein bisschen kürzertreten», sage ich und versuche, sie von meiner Oma und meiner Mutter wegzuziehen. «Es kann sein, dass es hier demnächst hoch hergeht, also mit Schlägerei und so.»
«Wenn ich kürzertrete, muss ich mehr Schritte machen», lallt Roni. «Mit wem willst du dich denn hier schlägern? Mit den Masten? Sag Bescheid, wenn du einen siehst.» Sie hält einen Moment inne und schaut sich um. «Echt schön, dieses Tiefenwalde, vielleicht sollten wir doch hier feiern.»
«Wer hat dir denn den Floh ins Ohr gesetzt?»
«Darf ich nicht sagen.»
Meine Oma und meine Mutter nehmen Roni wie ein Verhaftungskommando in ihre Mitte und marschieren im Gleichschritt los. Dabei singen sie: «Ein Hut – ein Stock – ein Regenschirm. Und vorwärts, rückwärts, seitwärts, ran!» Bei den letzten Silben bleiben sie stehen und treten mit einem Fuß nach vorn, nach hinten, zur Seite und ran, wobei alle drei gefährlich schwanken.
Gegen Mittag erreichen wir die Forstklause. Sie sieht immer noch genauso aus, wie ich sie in Erinnerung hatte: ein Fachwerkhaus, mitten im Wald, mit einem Schornstein auf dem Dach, aus dem es freundlich herausqualmt.
«Wenn da eine alte Frau mit Besen raussskommt, dürfen wir uns nicht in ihren Ofen schubsssen lassen», meint Roni und rülpst leise. Es riecht nach China-Imbiss.
Auf der Lichtung vor der Forstklause haben sich etwa hundert Männer, Frauen und Kinder versammelt. Sie haben ebenfalls rote Bäckchen, Wanderstöcke und tragen Schnapsgläser um den Hals.
«Die Fahlenberger», stößt meine Oma zwischen den zusammengebissenen
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