Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
auf.
«Nein, mein Lieber. Das macht mein zukünftiger Schwiegersohn schon selbst. Aber mir könntest du einen Gefallen tun», sagt sie. «Schau dir doch mal meinen Garten an. Du kennst dich ja aus mit schönen Sachen.»
Sie hakt sich bei ihm ein und zieht ihn nach draußen. Knoll geht Bier holen. Ich bin mit Roni allein. «Und?», fragt sie.
«Okay, ich frage James, ob er uns Walzer beibringt.»
Roni beugt sich vor und gibt mir einen Kuss.
Kurz darauf kommt Regina wieder herein. Ohne Christoph. «Der musste plötzlich weg», sagt sie und zwinkert mir zu. «Wie immer.»
BITTSCHEE
(hochdeutsch: Darf ich bitten?)
Roni hat es so gewollt. Gut, Christoph hat mich provoziert, aber angefangen hat Roni. Jetzt kann ich für nichts mehr garantieren. Ich stehe mit dem Rücken zur Wand – im Wohnzimmer von James, bereit zum Nachhilfeunterricht in Sachen ¾-Takt. Roni tippelt von einem Bein aufs andere, ich habe weiche Knie. Beides nicht die besten Voraussetzungen, um zu tanzen.
James lehnt im Türrahmen und grinst. Kann ich gut verstehen. Roni und ich gehören einer Generation von Einzeltänzern an, miteinander haben wir es erst ein Mal versucht, auf einer Party von Nunja vor einem Jahr: Die meisten Gäste waren schon gegangen, als ein Austauschstudent aus Lateinamerika Tango auflegte. Da zogen mich meine Beine quer durch den Raum auf Roni zu. Wir tanzten los, ohne auf Schrittfolgen und Regeln zu achten. Es ging nur um uns. Die Akustikgitarre steigerte sich in einen wilden Taumel, auf dessen Höhepunkt Roni sich rückwärts über mein ausgestelltes Knie bog. Es heißt, Tango sei der vertikale Ausdruck eines horizontalen Verlangens. Vielleicht war es auch nur der Alkohol. Nunja sagte später, sie sei froh, dass keine kleinen Kinder auf der Party waren, sonst hätte sie wohl Probleme mit dem Jugendamt bekommen. Urs meinte, er hingegen sei froh, dass Roni und ich schon verlobt seien, sonst hätte er mir «eine aufstreichen» müssen.
Seitdem waren wir nicht mehr tanzen. Wir sitzen jetzt lieber. Hat bislang prima funktioniert. Standardtänze sind doch eher was für alte Ehepaare. Wahrscheinlich stehen wir genau deshalb jetzt mit einem Glas Sekt auf dem Holzparkett des Wohnzimmers, das James komplett leer geräumt hat. Er trägt eine Röhrenjeans, die so eng ist, dass ich mir Sorgen um seine Gesundheit mache.
«Okay», ruft er. «Die Herr gibt die Dame die rechte Hand, die Dame gibt die Herr die linke Hand.»
«Bist du die Herr oder die Dame?», frotzele ich.
«Make your jokes», entgegnet James. «Ich lache, wenn du tanzt.» Er stellt sich mit Roni in Walzerhaltung.
«Hast du schon mal getanzt die Walzer?» Roni nickt. «Okay, wir versuchen.»
James drückt Roni leicht nach vorn. Sie weicht zurück. Dann zählt er «Rückseitran, Vorseitran, Rückseitran, Vorseitran» und dreht Roni im Kreis, bis sie ruft: «Stopp! Mir wird schwindelig!»
«Dann die Wiegeschritt.»
Jetzt schunkeln die beiden einfach auf der Stelle von einem Bein aufs andere. Sieht gar nicht so kompliziert aus.
«Wie Oktoberfest im Stehen!», meint James.
Roni lacht. «Das ist echt einfach, probier du mal.» Sie packt mich an der Hüfte und zieht mich aufs Parkett. Dort nehmen wir Haltung an. James geht zur Stereoanlage.
«Okay, show ’em what you’ve got!»
Langsame Geigen erklingen. Ich versuche, den Takt zu spüren, nicke mit dem Kopf, warte auf den richtigen Moment loszulegen. James zählt langsam: «Einszweidrei, einszweidrei, einszweidrei – und los.»
Mit dem ersten Schritt trete ich Roni auf beide Füße gleichzeitig.
«Mann!», ruft sie. «Erst mal Wiegeschritt!»
«’tschuldigung. Nochmal von vorn.»
Grundhaltung, in den Takt finden – gar nicht so leicht. Ich lasse mir Zeit, bevor ich noch einen Butzi baue.
Irgendwann wird Roni die Warterei zu viel, sie tanzt drauflos, souffliert «einszweidrei, einszweidrei», schiebt mich zurück und dreht mich im Kreis. Ich brauche nur ihren Bewegungen zu folgen, ist ganz einfach. Bis James «STOPP!» ruft.
Ich schaue ihn fragend an. Er grinst.
«Wer von euch beide ist die Herr?»
Wieso unterbricht der uns, lief doch gut?
«Ach komm, James! Das war doch vorhin nicht so gemeint.»
«Waschtl du tanzt die Schritt von die Dame. Roni, du führst. Zurück! Position!» James klatscht in die Hände wie ein Schlossherr, wenn er das Licht ausmacht.
Wir versuchen es noch einmal. Diesmal geht es ein paar Walzerrunden gut. Dann denke ich daran, was wir noch alles erledigen müssen, vergesse, auf
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