Jack Fleming 02 - Blutjagd
jedes Mal ein, wenn Varney erschossen worden oder – wie einmal geschehen – ertrunken war. Mit fließenden Gewässern, Kruzifixen oder Knoblauch hatte er keinerlei Schwierigkeiten, nicht dass es irgendjemandem eingefallen wäre, die beiden letztgenannten Mittel gegen ihn einzusetzen.
Schließlich verschwanden sämtliche Bannerworths aus der Handlung und wurden von einem Reigen schöner junger Mädchen abgelöst, die er stets zu heiraten versuchte – entweder in der Hoffnung, dass ihre Liebe seinen Fluch überwand, oder weil ihn nach ihrem Blute dürstete. Manchmal auch war der Grund nicht ganz ersichtlich. Die Hochzeitsfeierlichkeiten platzten für gewöhnlich, weil entweder ein alter Feind Varneys in Gestalt des Mannes auftauchte und sich einmischte, den die Braut eigentlich liebte, oder weil die Braut Selbstmord beging. Irgendwann gingen ihm sowohl die heiratsfähigen Kandidatinnen wie auch die zu verheerenden europäischen Länder aus.
Einfach toll, mit Hilfe des Mondes genas Varney von tödlichen Verletzungen, aber er wies keinerlei hypnotisches Talent auf. Seine Opfer schrien ständig aus vollem Hals um Hilfe und störten ihn beim Essen. Eine Sache fand ich sehr interessant: Jedes Mal, wenn Varney wieder ins Leben zurückkehrte, musste er schnellstens speisen oder aber sterben.
Gerade klappte ich das Buch mit einem leicht schmerzenden Schädel und einem Seufzer der Erleichterung zu, als Braxton wieder auftauchte.
»Ich wollte für heute schließen ... das haben Sie sicher noch nicht durch?«
»Nicht so richtig.« Ich erklärte ihm meine Methode des Querlesens.
»Sind Sie sicher, dass Sie genügend Informationen für Ihre Forschungen gesammelt haben? Ich dachte, Sie würden sich hier einige Tage aufhalten und Notizen anfertigen.«
»Ich behalte es lange genug im Kopf, um mir die wichtigsten Sachen später aufzuschreiben.«
Er gab sich enttäuscht. »Und ich hatte mich schon auf Gesellschaft gefreut. Ich treffe so selten jemanden, der ein ähnliches Interesse am Absonderlichen zeigt.«
»Ihre Sammlung war ja nicht zu übersehen ...«
Darauf war er stolz, und diesmal konnte er sich aussprechen. »Glücklicherweise verschafft mir mein Geschäft einen gewissen Vorteil. Wenn Privatsammlungen zum Verkauf angeboten werden, bekomme ich oft vorab Bescheid und kann mir das Beste heraussuchen.« Er zog einen Band hervor, schlug ihn aber nicht auf. »So habe ich dies hier ergattert. Ein Freund von mir arrangiert Nachlassverkäufe, er erzählte mir davon, und ich konnte es noch vor der Versteigerung ankaufen.«
Ich entzifferte den Titel – die alten Lettern waren schwer zu lesen – und erlitt einen leichten Schock. »Aber das habe ich immer für eine Erfindung gehalten, es muss ein Schwindel sein!«
»Das glaubte ich auch, als ich davon hörte, aber hier ist es. Es stammt aus der Bibliothek eines Universitätsprofessors. Als er plötzlich verschwand, versiegelten seine Verwandten sein Haus. Die Polizei vermutete, dass er entführt und vielleicht ermordet worden war, aber eine Leiche wurde nie gefunden – der Fall ist noch immer nicht abgeschlossen. Seine Familie wartete sieben Jahre, ließ ihn dann für tot erklären und veräußerte seinen Nachlass.«
Die Geschichte stank wie ein Fass mit sehr altem Fisch. Braxtons Freund musste ihn mit diesem Buch ordentlich über den Tisch gezogen haben. Allerdings hatte dieser die Geschichte geglaubt und erwartete nun dasselbe von mir. »Wie lautete der Name des Professors?«
»Ich erinnere mich nicht mehr, das alles ist schon Jahre her.«
»Vielleicht hat er ihn in das Buch geschrieben.«
»Nein, in dieses Buch bestimmt nicht.«
»Darf ich es einmal durchblättern?«
Das beunruhigte ihn. »Es wäre mir lieber, wenn Sie das nicht täten. Wissen Sie, das Necronomicon ist nicht irgendein Buch. Bei Tageslicht betrachtet klingt das lächerlich, ich muss Ihnen recht abergläubisch vorkommen.«
»Warum haben Sie es gekauft, wenn es Ihnen Unbehagen bereitet?«
»Ich weiß auch nicht so recht, vielleicht war es der Sammler in mir. Ich wollte es auch sicher verwahren, damit kein Gebrauch davon gemacht wird.« Er biss sich auf die Lippen und machte ein verlegenes Gesicht.
Er wollte um jeden Preis jemanden beeindrucken, und ich war sein jüngstes Opfer. Seine Methode bestand im Erzeugen einer geheimnisvollen und bedrohlich wirkenden Atmosphäre um seine Besitztümer, und mir stellten sich die Nackenhaare auf. Ich war Leuten wie ihm schon vorher begegnet; er war
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