Jack Fleming 02 - Blutjagd
ist mit Ihnen gegangen.«
Es war höchste Zeit, dass ich mich absetzte. Der Mann wusste zu viel und doch nicht genug. Er war aufmerksam genug, um zu merken, dass hinter meinen Forschungen andere Gründe steckten als die Recherchen zu einem nicht existierenden Buchprojekt. Vielleicht hoffte er, dass ich ihm mein Herz ausschüttete, ihm die Wundmale an meinem Hals zeigte und um Hilfe flehte. Da konnte er lange warten. Ich stand nicht unter einem hypnotischen Verbotsbann durch Maureen, aber ich verfügte über ein gewisses Quantum an gesundem Menschenverstand. Selbst wenn ich ihm gesagt hätte, wie es sich mit Vampiren tatsächlich verhielt, hätte es nichts genützt. Er gehörte nicht zu der Sorte, die bereit sein würde, den ganzen Blödsinn abzulegen, der sich in seinen Regalen stapelte; diese Wahrheit hätte seine Illusionen gefährdet, wie er selbst sagte.
Er deutete meine Miene richtig und wusste, dass er zu rasch vorgeprescht war. Bekehrungen kosten Zeit. »Tut mir Leid. Ich verfalle gelegentlich ins Dozieren.«
»Schon in Ordnung. Es war sehr interessant, aber jetzt muss ich gehen. Vielen Dank, dass ich das Buch lesen durfte. Ich weiß es wirklich zu schätzen.«
»Gern geschehen«, gab er zurück, als wir uns die Hände schüttelten. »Ich hoffe, Sie kommen bald wieder.«
»Ganz sicher«, log ich.
Gesellschaftliche Konventionen sind manchmal sehr nützlich. Wir lächelten, sagten die üblichen Dinge, vollführten die erwarteten Rituale und taten so, als sei alles in Ordnung. Was auf mich auch zutraf, sobald ich in die kühle Märzdämmerung hinaustrat und mich auf den Heimweg machte. Braxtons Weltsicht konnte jedem den Boden unter den Füßen wegziehen. Zumindest verkörperte er meine eigenen Ängste vor dem Vampirismus und ließ mich erkennen, wie unbegründet sie waren. Im Vergleich mit Maureen war Braxton bei weitem der Furchterregendere.
Die Beziehung zwischen Maureen und mir stimmte so gar nicht mit dem üblichen Bild von Vampirin und Opfer überein. Unser Liebesakt war erstaunlich beglückend und normal, und wenn sie mir auf dem Höhepunkt etwas Blut abzapfte, was machte das schon aus, solange wir beide es genossen? Vielleicht war sie keine typische Vampirin, vielleicht gab es andere, die ebenso gefährlich wie Stokers Schöpfung waren. Darüber wusste ich nichts.
Ich erwähnte Braxton nie vor Maureen. Ich wollte nicht, dass sie von meinen Ängsten erfuhr, zudem diese sich nunmehr zerstreut hatten. Sie brauchte meine Liebe und meinen Beistand, nicht meine Verunsicherung. Nach kurzer Zeit hatte ich den Zwischenfall völlig vergessen.
5
Ich hielt für meine Tagesrast in Indianapolis an und flüchtete mich – diesmal unter einem falschen Namen – wieder in ein großes anonymes Hotel. Ich ließ meinen Wagen in der Garage eines anderen Hotels einige Blocks entfernt. Nicht die allerbeste Tarnung, aber ich hegte die Hoffnung, dass Braxton kein sonderlich guter Detektiv war. Entweder erfüllten sich meine Wünsche, oder ich hatte wieder einmal Glück; in der folgenden Nacht befand ich mich in der relativ vernünftigen und vertrauten Umgebung von Chicago. Als Erstes machte ich mich auf den Weg zu Bobbi.
Wie immer winkte ich dem Nachtportier zu, er nickte zurück und wandte sich an eine Säule neben seinem Empfangstisch, als nehme er eine unterbrochene Unterhaltung wieder auf. So ein Verhalten macht mich neugierig, also ging ich hinüber, um festzustellen, was diesen Stützpfeiler zu einem so faszinierenden Gesprächspartner machte. Gerade außerhalb meines ursprünglichen Blickfeldes lehnte Phil, der Hausdetektiv, daran. Er war ein mittelgroßer, leicht untersetzter Mann mit einem alten Derbyhut und einem geöffneten Kragen. Er sah nach nichts Besonderem aus, aber Bobbi sagte, dass er auf sich aufpassen konnte und wusste, woher er gegebenenfalls Hilfe bekam.
Er erkannte mich und nickte. »Morgen, Fleming. Schon auf oder noch unterwegs?«
Ich schüttelte seine hornige Pranke. »Ich bin immer spät unterwegs. Wie läuft das Geschäft?«
»Eher ruhig, aber das Wochenende steht vor der Tür.«
Das war die Zeit, in der er die meisten Trinkgelder einstrich. Solange die Schmusepärchen sich manierlich verhielten, legte er eine gutwillige Blind- und Taubheit an den Tag; wenn die anderen Gäste gestört wurden, flogen die Übeltäter auf die Straße.
»Na, dann viel Glück. Hören Sie, könnten Sie mir einen Gefallen tun?«
»Kommt auf den Gefallen an.« Sein Gesicht war so undurchdringlich wie der
Weitere Kostenlose Bücher