Jack Fleming 02 - Blutjagd
musste. Er ließ sie in diesem Glauben und erfuhr demzufolge mehr über sie, als es ihnen recht war.
Ich streckte die Hand aus. »Hallo, Gordy.«
Er zeigte sich kurz überrascht, stand langsam auf und gab mir die Hand. Er war darüber hinaus, sich mit einem Nussknackerhandschlag beweisen zu wollen; sein Händedruck war fest und wohlbemessen.
»Fleming«, gab er zurück. »Bobbi sagte schon, dass du vielleicht vorbeikommen würdest.«
»Jawoll.«
»Sie sagte auch, dass du dich gut um sie kümmerst.«
Ich wusste nicht genau, wie er das meinte. Finanziell war Bobbi nicht von mir abhängig, also meinte er vermutlich unsere Gefühle füreinander. Gegenüber Bobbi war er auch zu höflich, um billige Bemerkungen über unser Liebesleben zu machen.
»Sie ist ein wunderbares Mädchen.«
»Bin froh, dass du das weißt.«
»Und wenn ich es nicht wüsste?«
»Dann würde ich dir Marza auf den Hals hetzen.«
Jetzt war ich überrascht. Einen Witz hatte ich von ihm nicht erwartet. Ich warf einen kurzen Blick zum Klavier und sah, dass er es ernst gemeint hatte. Marza starrte zu uns herüber, und ihrer Miene nach zu urteilen brauchte sie nur noch ein paar Schlangen im Haar, um uns versteinern zu lassen.
»Nein, danke.« Ich angelte mir einen Stuhl, damit wir uns setzen und dabei in die Augen sehen konnten. Neben ihm zu stehen war nicht gerade bequem. Ich war es nicht gewohnt, zu anderen aufzusehen, und Gordy war so groß, dass Paul Bunyan einen steifen Hals bekommen hätte. »Wie stehen die Dinge im Club?«
Er zuckte die Achseln und ließ sich wieder auf das Sofa sinken. »Musste letzte Woche eine Razzia aussitzen.«
»Das Casino?«
»Die Zeitungsberichte lassen die Stadtverwaltung gut dastehen, aber sie sollten sich lieber bis kurz vor den Wahlen Zeit lassen, wie sonst auch. Sämtliche Münzautomaten wurden einkassiert, und aus den Spieltischen hat man Kleinholz gemacht. Es dauert ein paar Wochen, bis ich wieder neue kriege, und bis dahin haben sich die Dinge wieder beruhigt. Der Club ist nach wie vor geöffnet, viele Stammkunden erkundigen sich immer noch nach Bobbi.«
»Glauben Sie, dass sie zurückkommt?«
»Nicht nach dem Schlamassel mit Slick. Kann es ihr nicht verdenken.«
»Allerdings nicht.«
»Hast du Arbeit?«
»Ab und zu.«
»Brauchst du einen Job?«
»Was für einen?«
»Was für einen brauchst du?«
Ich schüttelte den Kopf und lächelte. »Danke.«
»Wegen der Sache mit Slick ...«
»Ich trage Ihnen nichts nach, Gordy.«
»Ach ja?«
»Ach ja.«
»Ich meine, tut mir Leid, dass ich dich verletzt habe. Ich tu nur meine Arbeit.«
»Sie haben mich nicht verletzt.«
»Hab' ich nicht? Wie das?«
»Das wissen Sie doch bereits.«
Er nahm einen langen Schluck von seinem Drink und musterte mich. »Ist schon seltsam, du siehst nicht anders aus als hundert andere Burschen von der Straße.«
»Sähe ich nicht so aus, würde ich nicht lange am Leben bleiben. Es fällt auf, wenn man anders ist.«
»Verdammt, das kannst du laut sagen.«
»Waren Sie schon immer so groß?«
»Ma sagte, dass ich bei meiner Geburt dreizehn Pfund wog. Hat sie fast umgebracht. Willst du was zu trinken?«
»Nein, danke.«
Wieder dieser lange Blick. »Isst du überhaupt irgendetwas?«
»Essen trifft's nicht ganz.«
»Also ist es wahr, dass du nur ...«
»Richtig, dieser Teil trifft zu.«
»Was ist mit Bobbi? Tut ihr das nicht weh?«
»Wenn es so wäre, käme ich nicht mehr zu ihr. Warum fragen Sie sie nicht selbst?«
»Nee, das mach' ich nicht.«
»Wenn es Sie beunruhigt, sehen Sie sie sich doch an, sie ist bei bester Gesundheit.«
Er überflog den Raum. Sie stand in einer Ecke, unterhielt sich mit einem weißhaarigen bärtigen Mann und lachte. »Sie steht nicht unter einer Art Bann oder so?«
Ich bemühte mich, so ernst wie er zu bleiben. »Nichts dergleichen.«
Er verdaute es. »Okay. Ich wollte nur ein paar Dinge für mich klarstellen.«
»Andererseits könnte ich auch gelogen haben.«
Sein Kopf ruckte leicht vor und zurück. Das war seine Art zu lachen. »Zum Teufel, Junge, du bist kein Lügner.«
Bobbi stellte mir einige Namen und Gesichter vor, und ein oder zwei dazugehörige Stimmen waren mir vertraut, weil ich sie vom Radio her kannte. Wir machten die Runde, und dann übernahm ich zur Abwechselung das Steuer.
»Was kommt jetzt?«, fragte sie, als ich sie entschlossen am Arm ergriff.
»Das wirst du schon merken.«
Der einzige unbelegte Raum war das Badezimmer, nicht gerade der romantischste aller
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