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Jack Holborn unter den Freibeutern

Jack Holborn unter den Freibeutern

Titel: Jack Holborn unter den Freibeutern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
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selbst einem wie
    mich. Und ich war ihm mit zweideutigen Geheimnis-
    sen begegnet: sein Leben gerettet – und hatte ihm un-bekannten Lohn eingefordert. Schien ehrlich – sah
    aber, träumte und sprach in tollen Rätseln.
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    In was für eine Welt war er geraten? Als ich ihm
    nahe zu sein schien, hatte ich mich unverständlich
    abgewandt …
    Das Erscheinen von Mister Trumpet: die Qual des
    Erkennens; Täuschung über Täuschung – tiefer und
    tiefer in den Schlamm, bis es keine Rückkehr mehr zu geben schien; vom treuen Mister Morris geschoben
    und unterstützt – eine bitterlich irrtümliche Treue das! Falscheste aller falschen Vorspiegelungen. Mister Morris: welch ein Mann! Von schwarzer Ehre beschwert … Ob er es wohl geahnt hat? Gegen Ende:
    hat er’s halb verstanden?
    »Aber warum, im Namen des Himmels, hat er sich
    nie ausgesprochen, Mister Trumpet? Ich meine, hin-
    terher –«
    »Vielleicht hat er uns nie ganz getraut.«
    »Sogar bis zum Ende? Ja, so muß es wohl gewesen
    sein, aber jetzt – wird man ihn hängen. Was ist zu
    tun? Was kann man tun?«
    »Alles. Und das gleich! Wir haben eine Schuld ab-
    zutragen. An Lord Sheringham und uns selbst. Denn
    wir haben ihn als Sündenbock ausgesandt und mit
    jeder Sünde in Sicht beladen. Und warum? Weil er so ein zweckdienliches Gesicht trug. Ich glaube, Mister Morris hat sich vielleicht als einziger die Mühe gemacht, tiefer zu sehen. Und du weißt ja, was es ihm angetan hat.«
    »Ich glaube, Mister Pobjoy hat’s auch geahnt.«
    »Und Taplow und der Rest – denn der Sturm hat
    sie unheimlich verrückt gemacht …«
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    »Mister Pobjoy hat gesagt, nichts stünde mehr zwi-
    schen ihm und dem Himmel, wenn der Kapitän da-
    hinginge …«
    »Gehen wir, Jack – und hoffen wir zu Gott, daß
    wir zur Zeit kommen!«

    Mister Trumpet war völlig umgewandelt. Er schien
    von dem gleichen Waldfieber zu brennen, das ihn für die Weiße Lady zur Raserei getrieben hatte. Nur war es jetzt an eine kalte, fast wütende Berechnung ge-koppelt, deren unwiderstehliche Kraft jedes »aber«
    und »vielleicht« zur Seite fegte.
    Noch in dieser Nacht ging er auf die Suche von
    Fäden und Enden, die er vor zwei Jahren zertrennt
    hatte: Bekannte Ehrenmänner, die auf der Windseite
    des Gesetzes segelten. Aber in zwei Jahren können
    sich Adressen ändern. Seine größte Hoffnung – die in Paternoster Row gewohnt hatte, war fünfzig Yards
    weitergezogen, zu einer dauerhafteren Wohnung im
    Kirchhof von St. Margareten …
    Dafür versicherte er sich eines anderen, eines ver-
    wahrlosten Anwalts, der seine Seele so oft verkauft hatte, daß er damit umging wie mit einer geistig krei-senden Bibliothek. Mister Trumpet hätte sich von
    weniger als den fünfzig Guineas trennen können, die er weggab, und hätte ebensoviel Ergebenheit geerntet.
    »Ich möchte, daß ein gewisser Kapitän Rogers so-
    fort aus dem Gefängnis von Weymouth überführt
    wird, um im Londoner Old Bailey von Lord Shering-
    ham gerichtet zu werden. Ist das zu machen?«
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    Der Anwalt – ohne Überraschung – dachte eine
    Weile nach. Er kannte jemand – der jemand anderen
    kannte – der mit einem anderen bekannt war, der ei-
    nen gewissen Schreiber mit einem weiten Netz von In-teressen kannte … Ja, es war möglich: denn in solchen Schlichen ist die ganze Welt miteinander bekannt …
    Auf und davon gingen wir mit einer neuen Adres-
    se. Zehn Guineas – dann zu irgendwelchen zwei oder
    drei anderen, manchmal sogar umständlich wieder
    zurück zur Nachbartür des vorletzten. Nachdem Mi-
    ster Trumpet sich mit Guineas verausgabt hatte, verteilte er von nun an winzige Edelsteine, bis er schließ-
    lich ein außerordentliches Netz von Hilfsbereitschaft geknüpft hatte. Alles war unter der Hand gesichert –
    schlau zusammenverwebt –, so daß scheinbar unab-
    hängige Geschehnisse auf ein Ende hin funktionier-
    ten. Nichts hing nur von einem Mann ab, außer von
    dem einen Mann, der in der Dover Street saß. Zu ihm führten alle gekauften Fäden. Sein Siegel und seine Zustimmung waren nötig. War es möglich? Konnte
    man so einen wie den, wenn auch falschen, Lord She-
    ringham kaufen? »Jeder Mann hat seinen Preis«, Mi-
    ster Trumpet war dessen sicher, »auch er. Was je-
    doch der Preis ist, das zu entdecken und zu decken, bleibt dir überlassen.«
    Um neun Uhr am Morgen des neunundzwanzig-
    sten November ging Mister Trumpet, aufs beste emp-
    fohlen, zur Dover Street. Eine Stunde später kam er bleich wieder

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