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Jack Holborn unter den Freibeutern

Jack Holborn unter den Freibeutern

Titel: Jack Holborn unter den Freibeutern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
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Bursche – seht ihr ihn? Ich kenne ihn. Ja!« Er ließ den Kutscher Schritt fahren, damit er sich hin-ausbeugen und den Läufer fragen konnte, wie es ihm
    ging: einen ärmlich aussehenden Mann, der noch
    nicht lange aus dem Gefängnis entlassen war. Ja,
    wirklich: wie ging es ihm denn jetzt?
    Dann fuhren wir weiter, und er lehnte sich zurück,
    riesig stolz darauf, daß ein Mann, den er einmal verurteilt hatte, sich über seine Rückkehr freute. Das half beträchtlich, die Bitterkeit seines Triumphes zu versüßen.
    Denn es war sehr spürbar, daß das Schweigen, in
    das er verfiel – manchmal sogar mitten im Satz – und das angespannte Aussehen durch Gedanken an seinen
    Bruder hervorgerufen wurden. Die gespenstische
    Anwesenheit des Mannes schien noch in der Kutsche
    fortzudauern, denn es war nicht mehr als zwei Stun-
    den her, daß er darin gesessen hatte, kühn und gehässig, und in entgegengesetzter Richtung gefahren war.
    Die Seide und das Leder trugen seinen Stempel …
    Mister Trumpet nahm dagegen seinen Triumph
    ganz anders auf. Er wurde seltsam ernst und ange-
    nehm – nicht, daß er oft unangenehm war, aber angenehm insofern, als er bereitwillig etwas aufgriff.
    Stets hieß es: »Ja – ja, gewiß –« als sei jeder andere 254
    interessanter als er selbst; wobei er den Eindruck einer riesigen Reserve an Güte und Weisheit in seinem Innern vermittelte, die er nur aus Höflichkeit nicht ans Licht des Tages ließ.
    Nur einmal sah ich den alten hurtigen Blick mit
    der Andeutung von Spott in seine Augen zurückkeh-
    ren: und das war, als er aus der Kutsche stieg.
    All die strahlenden Dienstboten mit den rosigen
    Gesichtern standen gedrängt vor der Nummer 17, als
    ein alter Herr, der in keiner Weise damit zu tun hatte, wirklich nur ein Vorübergehender, in diese Angelegenheit verwickelt wurde. Verwirrt und gereizt fragte er rundum, was los sei, und erhielt die Antwort:
    »Lord Sheringham ist zurück. Lord Sheringham ist
    nach Hause gekommen.«
    »Wußte nicht, daß er weg war«, knurrte er und
    erhielt so viele finstere Blicke, als Gesichter um ihn waren. Seine Worte hatten richtig zugebissen, wie ei-ne kalte Zugluft nach einem kranken Zahn, und da
    flackerte es in Mister Trumpets Augen …
    Aber sonst war er ganz Größe, ganz Leutseligkeit
    und ging auf den Wunsch Seiner Lordschaft, ihn or-
    dentlich herauszustreichen, mit einer Wärme ein, deren ich ihn nicht für fähig gehalten hatte.
    Alles in allem war er ein Kreditposten für seinen
    großen Freund, und ich fragte mich, ob Mister
    Trumpet nicht das Angebot bekommen würde, in der
    Dover Street zu leben, das ich einmal erhalten hatte.
    Dann begannen endlich die Heerscharen der Besu-
    cher dieses Tages sich zu verabschieden, so daß ein 255
    paar Sekunden lang Mister Trumpet und ich uns in
    dem großen goldgelben Empfangsraum selbst über-
    lassen blieben. Er sah müde und ernst aus und starrte in die sich beruhigende Luft. Kein Wort wurde zwischen uns gewechselt. Ein Geist war in das Zimmer
    getreten, der Geist des Mannes, den wir besiegt hatten. Er war deutlich zu spüren. Mister Trumpet er-
    wachte jählings aus seinen Träumen und fand, daß er mir ins Gesicht starrte. Wir blickten uns etwas traurig in die Augen.
    In Newgate, wo er um diese Zeit war, muß der an-
    dere sehr intensiv an uns gedacht haben, plötzlich
    roch das ganze, dunkel werdende Haus förmlich nach
    ihm. Besonders schien er sich in dem heiteren Schlaf-zimmer aufzuhalten, das allein mir gehörte, deshalb fiel es mir schwer, im Bett zu bleiben, während er geisterhaft auf dem Schreibtisch hockte und mich mit
    seinen seltsamen Fischaugen betrachtete.
    Es war immer auf dem Sekretär, auf dem ich ihn
    wähnte, und wo er mit dem elfenbeinernen Schiff zu
    tändeln schien, das dort aufgestellt war. Sobald ich mich ihm näherte, löste er sich unter schwachem Ki-chern auf, und ich blickte nieder auf die mit Nadeln befestigten Planken und meinte, zwei winzige Figuren zu sehen – er eine, ich eine – die Seite an Seite darauf hockten, wobei ein kleines Versprechen wie ein Floh vom einen zum anderen hüpfte.
    Er sprach nicht, aber wenn er etwas mitzuteilen
    hatte, sprang er in die Luft und zeichnete riesige Fragen an die Wand.
    256
    »Was soll aus Dir werden?« Und dann kleiner:
    »Warum kein Wort von deinem Geheimnis?« Und:
    »Nichts von deinem Geständnis, wie? Schämen sie
    sich vor dir?«
    Ich saß zornig im Bett, denn ich wußte, daß das al-
    les unwirklich und wahrscheinlich auf zu

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