Jack Holborn unter den Freibeutern
Ankla-
gebank. Fragen … Fragen … selbst vom Schreiber
(Gott weiß, was er gefragt hat, und ebenso: Gott
weiß, was ich geantwortet habe.)
»Er war also der Mann, der dir das Versprechen
gegeben hat?«
»Ja, er war der Mann.«
Auch kann ich mich nicht mehr erinnern, wer frag-
te, was das für ein Versprechen war: ob Mister
Trumpet, der Richter – oder der Gefangene. Oder
vielleicht war es eine Stimme in meinem verworrenen Kopf, auf die ich laut antwortete.
Ich erzählte dem Gericht, meinen Freunden und
der Welt ganz genau von dem Versprechen, das mich
wie ein guter Rückenwind ununterbrochen angetrie-
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ben hatte, seit ich davon hörte. Mein Geheimnis,
mein tiefes, tiefes Geheimnis war raus. Es machte einen mächtigen Eindruck. Wie wertgehaltene Möbel,
die so prächtig sind, wenn sie im Hause stehen und
so erbärmlich, wenn sie auf die Straße gestellt werden. So schäbig und klein.
»Was? Darauf hatte er gehofft? Mein Gott! Welch
ein Dummkopf!«
Wie schon gesagt, es machte einen mächtigen Ein-
druck. Auf wen? Mister Trumpet? Er sah aus, als
hätte er Mitleid mit mir. Aber gewiß sah ich kein anderes Gesicht, das mehr als nur belustigt und erstaunt aussah, weil es so einem wie mir etwas ausmachen
sollte, wer und was ich war.
So warf ich also mein Gewicht in die Waagschale –
und das verpuffte wirkungslos: ebenso für Lord She-
ringham auf der Anklagebank wie für Lord Shering-
ham auf dem Richterstuhl.
Der Richter blickte auf mich nieder und schüttelte
den Kopf. Was bedeutete ihm das alles? Nichts. Mi-
ster Trumpet winkte mich aus dem Zeugenstand. Da
war nichts mehr rauszuholen. Ich hatte meinen
Dienst geleistet. Jetzt war es Zeit, Schluß zu machen.
Ich hörte den Richter sagen: »Genug – genug. Schafft sie fort.« Er hatte gewonnen.
Die Wachen nahten sich, das Gericht kam zur
Ordnung, als sich Mister Trumpet umdrehte und zu
einem letzten Angriff überging.
Erstaunlicher Mann! Er kletterte hoch zum Zeu-
genstand, wie man den Hauptmast zum Quersaling
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hinaufklettert: was ich ihn in seinem ganzen Leben
nie habe tun sehen – und doch war Mister Trumpet
in allem sehr seemännisch. Dann packte er die beiden hölzernen Pfosten, als wolle er sich im Sturm festhalten, und beugte sich zum Richter hinüber.
Völlig ungebeten, mit aller Macht seiner lauten
Stimme, schwor er, die Wahrheit zu sagen, schwor
vor dem jetzt wütenden Richter und seinen plötzlich willfährigen Helfern, die bereit und versessen waren, Mister Trumpet herunterzuzerren.
Aber mit beredsam geschwenkten Armen – was die
Annäherung erschwerte – und eisernem Gesicht brei-
tete er vor dem Gericht die Geschichte von seinem
Besuch in der Dover Street 17 aus. Er erzählte, wie er den Mann auf dem Richterstuhl – der allerdings
nichts ahnte – bestach, diesen erstaunlichen Morgen zu arrangieren.
Die Weiße Lady. Er sprach davon – und das Ge-
richt wurde von unheimlichen, glitzernden Träumen
erfüllt. Wenn an jenem Morgen einer da war, der von dem großen Diamanten nie gehört hatte, dann erzählten’s ihm zehn Nachbarn in Windeseile, daher hatte
niemand einen Grund, unwissend zu sein.
Die Weiße Lady! Ihr Name war auf aller Lippen. Es
war wie damals im Wald, als Mister Morris noch lebte und das schlimme Geflüster rings um uns zischelte.
»Die Weiße Lady? Sie müssen wahnsinnig sein.
Was sollte ich von einem solchen unheilvollen Trödel wissen?«
»Sie leugnen es?«
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»Mit aller Bestimmtheit.«
»Sie leugnen, daß ich Sie besucht habe?«
»Ebenfalls – ebenfalls –«
»Sie leugnen, mich schon einmal gesehen zu haben?«
»Ich leugne es. Gott sei Dank, habe ich Sie noch
nie gesehen.«
»Sie lügen.«
»Sie sind wahnsinnig.«
»Ich frage noch einmal: haben Sie mich schon ein-
mal gesehen?«
»Niemals.«
»Dann haben Sie’s vergessen. In kaum einer Wo-
che haben Sie’s vergessen. Ein so fehlerhaftes Ge-
dächtnis macht einen schlechten Richter, einen fal-
schen Richter, einen zu richtenden Richter – der zu leicht befunden wird.«
»Ich vergesse nicht und werde nicht vergessen, und
auch Sie werden diesen gefährlichen Morgen nicht
vergessen. Nie werden Sie ihn vergessen.«
»Weil Sie mich vergessen haben?«
»Hören Sie, Mann: wenn ich Sie auch nur einmal
gesehen hätte – vor zwanzig Jahren –, würde ich mich entsinnen. Nicht, weil Ihr Gesicht sich besonders ein-prägt, sondern weil mein Gedächtnis ausgezeichnet ist.
Es wäre mir ebenso
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