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Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Serienvergewaltiger und -mörder in den Gefängnissen überall im Lande zu interviewen. Aus diesen Interviews war die psychologische Datenbank entstanden, mit deren Hilfe die BSS wiederum Profile anderer Mörder erstellte. Das Interview-Projekt hatte sich über Jahre hingezogen, und ich erinnerte mich, dass es geheißen hatte, dass es an den Agenten, die diesen Männern gegenübertreten mussten, nicht spurlos vorübergegangen war.
    »Das war eine Reise, die ich nicht vergessen werde«, sagte sie. »Gordon, Bob und ich sind zusammen hingefahren. Ich bekomme noch heute hin und wieder einen Brief von Charlie Manson. Gewöhnlich um die Weihnachtszeit. Als Verbrecher bestand seine größte Leistung im Manipulieren seiner weiblichen Gefolgschaft. Deshalb glaube ich, dass er überzeugt ist, wenn er irgendjemanden dazu bringen kann, mit ihm zu sympathisieren, dann eine Frau. Mich.«
    Die Logik leuchtete mir ein, und ich nickte.
    »Und die Vergewaltiger«, sagte sie. »Weitgehend dieselbe Pathologie wie bei den Killern. Es waren ein paar reizende Typen darunter, das kann ich Ihnen versichern. Ich konnte regelrecht spüren, wie sie mich abschätzten, wenn ich hereinkam. Ich konnte spüren, dass sie überlegten, wie viel Zeit sie wohl haben würden, bevor der Wärter erschien. Sie wissen schon, ob sie mich nehmen konnten, ehe Hilfe kam. Das war typisch für sie. Sie dachten nur daran, dass Hilfe kommen und mich retten könnte, aber nicht, dass ich mich selbst verteidigen könnte. Mich selbst retten. Sie betrachten alle Frauen nur als Opfer. Als Beute.«
    »Heißt das, dass Sie ganz allein mit diesen Leuten geredet haben?«
    »Die Interviews waren informell und fanden gewöhnlich in einem Anwaltszimmer statt. Keine Trennwand, aber gewöhnlich ein Spion.«
    »Ein Spion?«
    »Ein Fenster, durch das einer der Wärter aufpassen konnte. Den Vorschriften zufolge sollten immer zwei Agenten die Interviews führen, aber es gab einfach zu viele von diesen Kerlen. Also fuhren wir meistens gemeinsam zu einem Gefängnis und trennten uns dann dort. Auf diese Weise ging es schneller. Die Interview-Räume wurden immer überwacht, aber von Zeit zu Zeit jagte mir einer von diesen Kerlen trotzdem einen Schauder über den Rücken.«
    »Scheiße.«
    »Nun, zu einigen der besonders gewalttätigen Täter sind mein Partner und ich gemeinsam gegangen. Gordon oder Bob oder wer immer mit von der Partie war. Aber es ging einfach schneller, wenn wir uns trennten und die Interviews einzeln führten.«
    Ich konnte mir gut vorstellen, dass man nach einer Reihe solcher Interviews selbst eine gehörige Portion psychisches Gepäck mit sich herumschleppen musste. Ich fragte mich, ob sie das gemeint hatte, als sie von ihrer Ehe mit Thorson sprach.
    »Haben Sie dieselben Sachen getragen?«, fragte sie.
    »Wie bitte?«
    »Sie und Ihr Bruder. Sie wissen schon, so wie manche Zwillinge es tun.«
    »Ach so. Nein, Gott sei Dank nicht. Meine Eltern haben es nie darauf angelegt, uns wie Zwillinge aussehen zu lassen.«
    »Und wer war das schwarze Schaf in der Familie? Er oder Sie?«
    »Eindeutig ich. Sean war der Heilige, und ich war der Sünder.«
    »Und was sind Ihre Sünden?«
    Ich sah sie an. »Zu viele, um sie hier alle aufzuzählen.«
    »Wirklich? Und was war das Heiligste, das er je getan hat?«
    Als die Erinnerung an das, was ich ihr hätte antworten müssen, mir das Lächeln aus dem Gesicht wischte, beschrieb das Flugzeug eine scharfe Linkskurve und begann plötzlich zu steigen. Rachel vergaß sofort ihre Frage und beugte sich in den Gang hinaus, sodass sie nach vorn schauen konnte. Einen Moment später sah ich, wie Backus nach hinten kam und sich dabei an den Spanten festhielt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er bedeutete Thompson, dass er ihm folgen sollte.
    »Was ist los?«, fragte Rachel.
    »Wir haben den Kurs geändert«, sagte Backus. »Ich habe gerade einen Anruf aus Quantico bekommen. Heute Morgen hat das Field Office in Phoenix auf unseren Alarm reagiert. Vor einer Woche wurde ein Detective der Mordkommission in seiner Wohnung tot aufgefunden. Zuerst hielt man es für Selbstmord, aber irgendetwas stimmte nicht. Jetzt glauben sie, es sei Mord gewesen. Sieht so aus, als hätte der Poet einen Fehler gemacht.«
    »Phoenix?«
    »Ja, die frischeste Spur.« Backus sah auf die Uhr. »Und wir müssen uns beeilen. Er soll in vier Stunden beerdigt werden, und ich möchte vorher noch einen Blick auf die Leiche werfen.«
25
    Zwei Regierungswagen und vier

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