Jack McEvoy 01 - Der Poet
nicht erledigt war.
»Diese Selbstmord-Studie bei der Foundation, ist das ...«
»Ja, mein Vater ist der Grund, warum ich sie veranlasst habe.«
Es folgte abermals ein Schweigen, aber es flößte mir kein Unbehagen ein und ihr vermutlich auch nicht. Schließlich stand sie auf, ging zu einem Kühlschrank am hinteren Ende der Maschine und holte für alle Cola. Als Backus endlich aufhörte, Witze darüber zu machen, was für eine prächtige Stewardess sie war, setzte sie sich wieder neben mich. Ich versuchte, sie von den Erinnerungen an ihren Vater abzulenken.
»Haben Sie es nie bedauert, dass Sie keine psychiatrische Praxis eröffnet haben?«, fragte ich. »War das nicht ursprünglich der Grund für Ihr Studium?«
»Keineswegs. Dies hier ist wesentlich befriedigender. Ich habe vermutlich schon jetzt mehr Erfahrungen mit Psychopathen sammeln können als die meisten Psychiater in ihrem ganzen Leben.«
»Na ja, bei den Agenten, mit denen Sie Zusammenarbeiten.«
Ihr Lachen kam ungezwungen.
»Mann, wenn Sie wüssten ...«
Vielleicht lag es nur daran, dass sie eine Frau war, aber ich hatte das Gefühl, dass sie anders war als die Agenten, mit denen ich im Laufe der Jahre zu tun gehabt hatte. Sie war nicht so hart. Sie konnte gut zuhören, dachte nach, bevor sie reagierte.
»Thorson zum Beispiel«, sagte ich. »Man hat den Eindruck, als sei ihm der Kopf ein bisschen zu fest aufgeschraubt worden.«
»Stimmt«, sagte sie. Dann lächelte sie gezwungen und schüttelte den Kopf.
»Was ist los mit ihm?«
»Er ist wütend.«
»Worüber?«
»Über eine Menge Dinge. Er schleppt jede Menge Gepäck mit sich herum. Ich gehöre auch dazu. Er war mein Mann.«
Im Grunde war es keine Überraschung für mich. Die Spannung zwischen ihnen war nicht zu übersehen gewesen.
Ich hatte den Eindruck gehabt, dass er sich auf einem Plakat der Männer-sind-Schweine-Gesellschaft gut machen würde.
»Dann tut es mir Leid, dass ich die Sprache auf ihn gebracht habe«, sagte ich. »Ich wollte nicht ins Fettnäpfchen treten.«
Sie lächelte. »Geht in Ordnung. Diesen Eindruck macht er auf viele Leute.«
»Muss schwer für Sie sein, mit ihm zusammenzuarbeiten. Wie kommt es, dass Sie beide in der gleichen Abteilung sind?«
»Das sind wir im Grunde nicht. Er gehört zur Critical Incident Response. Ich pendele zwischen Behavioral Science und CIR. Wir müssen nur bei Fällen wie diesem Zusammenarbeiten. Wir waren Partner, bevor wir heirateten. Wir arbeiteten beide im VICAP-Team und verbrachten auf Reisen eine Menge Zeit miteinander. Später haben wir uns einfach auseinander gelebt.«
Sie trank einen Schluck von ihrer Cola, und ich stellte keine weiteren Fragen. Aber sie sprach unaufgefordert weiter. »Als wir geschieden waren, habe ich das VICAP-Team verlassen und danach vorwiegend für BSS recherchiert, Profile erstellt und gelegentlich einen Fall übernommen. Er wechselte in eine andere Abteilung. Aber wir begegnen uns immer noch in der Cafeteria und bei Fällen wie diesem.«
»Warum lassen Sie sich dann nicht in eine andere Stadt versetzen?«
»Weil es, wie ich bereits sagte, keinen besseren Job gibt als die Arbeit im National Center. Ich möchte sie nicht aufgeben, und er auch nicht. Entweder ist es das, oder er bleibt einfach, um mich zu ärgern. Bob Backus hat einmal mit uns gesprochen und gesagt, es wäre besser, wenn einer von uns sich versetzen ließe, aber das wollten wir beide nicht. Sie können Gordon nicht versetzen, weil er schon dabei ist, seit das Center eingerichtet wurde. Und wenn sie mich versetzen, dann verliert der Verein eine von nur drei Frauen, und sie wissen, dass ich dann einen Aufstand machen würde.«
»Was könnten Sie tun?«
»Nun, ich könnte zum Beispiel sagen, ich würde nur deshalb versetzt, weil ich eine Frau bin. Ich könnte mit der Post reden. Das Center ist eines der Glanzstücke des FBI. Wenn wir in eine Stadt kommen, um den Jungs vor Ort zu helfen, sind wir Helden, Jack. Die Medien überschlagen sich, und das FBI will nicht, dass irgendein Schatten auf unsere weiße Weste fällt. Also werfen Gordon und ich uns auch weiterhin wütende Blicke über den Tisch hinweg zu.«
Das Flugzeug beschrieb eine Kurve und setzte zur Landung an. Durch das Fenster entdeckte ich am Horizont die vertrauten Rockies. Wir hatten es fast geschafft.
»Waren Sie auch an den Gesprächen mit Bundy und Manson oder anderen dieser Typen beteiligt?«
Ich hatte irgendwo von dem BSS-Projekt gehört oder gelesen, alle bekannten
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