Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
stattfinden sollte. Etliche Männer standen herum oder lehnten an ihren Wagen. Ganz offensichtlich Detectives, die vermutlich darauf warteten, was das FBI zu sagen hatte. Am hinteren Ende des Parkplatzes entdeckte ich einen Fernseh-Übertragungswagen mit einer Satellitenschüssel auf dem Dach.
    Walling und ich stiegen aus und traten zu Backus und Thompson. Kurz darauf wurden wir durch eine Hintertür des Bestattungsinstituts in einen großen, bis zur Decke weiß gekachelten Raum geführt. In der Mitte standen zwei Edelstahltische mit Abspritzschläuchen darüber, und drei Wände waren von Edelstahltresen mit allen möglichen Utensilien gesäumt. Eine Gruppe von fünf Männern kam auf uns zu, um uns zu begrüßen. Auf dem hinteren Tisch lag der Tote. Ich nahm zumindest an, dass es Orsulak war, obwohl an seinem Kopf keine Anzeichen für eine Schusswunde zu sehen waren. Der Tote war nackt, und jemand hatte ein Stück Papier von der Rolle auf dem Tresen abgerissen und damit die Genitalien des toten Cops bedeckt. Der Anzug, den Orsulak auf dem Weg ins Grab tragen sollte, hing an einem Haken an der Wand.
    Es folgte ein allgemeines Händeschütteln. Dann wurde Thompson an den Toten verwiesen. Er trug seinen Koffer hinüber und machte sich an die Arbeit.
    »Ich glaube nicht, dass Sie noch auf etwas stoßen werden, was wir nicht schon entdeckt haben«, sagte der Mann, der Grayson hieß und die Ermittlungen der einheimischen Polizei leitete. Er war ein untersetzter, braun gebrannter Mann mit selbstsicherem und verbindlichem Auftreten.
    »Wir auch nicht«, sagte Walling taktvoll. »Sie haben ihn sicher gründlich untersucht. Und er ist schon gewaschen und für die Beerdigung vorbereitet worden.«
    »Aber das gehört nun einmal zu unserem Job«, fügte Backus hinzu.
    »Wie wäre es, wenn Sie uns sagen würden, worauf Sie aus sind«, warf Grayson ein. »Dann könnten wir uns vielleicht einen Reim auf dies alles machen.«
    »Natürlich«, sagte Backus.
    Während er einen Kurzbericht über die Ermittlungen im Fall Poet lieferte, schaute ich Thompson bei der Arbeit zu. Er war in seinem Element und hatte keinerlei Hemmungen, den Toten zu berühren. Er verbrachte geraume Zeit damit, mit seinen behandschuhten Fingern durch das grau-weiße Haar des Toten zu fahren und es dann mit einem Kamm aus seiner eigenen Tasche wieder in die ursprüngliche Lage zu bringen. Danach untersuchte er mit Hilfe einer beleuchteten Lupe sorgfältig den Mund und die Kehle. Einmal legte er die Lupe beiseite und holte eine Kamera aus seinem Koffer. Er machte ein Foto von der Kehle, und das Blitzlicht erregte die Aufmerksamkeit der anderen. »Nur zur Dokumentation, meine Herren«, sagte Thompson, ohne von seiner Arbeit aufzusehen. Kurz darauf begann er, die Extremitäten des Toten zu untersuchen, zuerst den rechten Arm samt Hand und dann den linken. Beim Betrachten der linken Handfläche und der Finger benutzte er abermals die Lupe. Dann machte er zwei Fotos von der Handfläche und zwei vom Zeigefinger. Die Cops schienen sich nichts mehr dabei zu denken. Doch mir war aufgefallen, dass er keine Fotos von der rechten Hand gemacht hatte, deshalb wusste ich, dass er an der linken etwas gefunden hatte, das möglicherweise wichtig sein konnte. Thompson verstaute die Kamera wieder in seinem Koffer und legte die vier neuen Polaroids auf den Tresen. Schließlich setzte er seine Untersuchung des Toten fort, machte aber keine weiteren Fotos. Er unterbrach Backus und bat ihn, ihm beim Umdrehen des Toten zu helfen. Danach begann die Untersuchung von Kopf bis Fuß von vorn. Ich konnte am Hinterkopf des Toten eine dunkle, wachsartige Stelle erkennen, und nahm an, dass sich an dieser Stelle die Austrittswunde befunden hatte. Thompson machte sich nicht die Mühe, eine Aufnahme davon zu machen. Er war mit dem Toten ungefähr zur gleichen Zeit fertig wie Backus mit seinem Bericht, und ich fragte mich, ob sie das etwa so geplant hatten.
    »Was gefunden?«, fragte Backus.
    »Nichts von Bedeutung, glaube ich«, sagte Thompson. »Ich würde gern den Autopsiebericht sehen. Haben Sie ihn dabei?«
    »Wie gewünscht«, sagte Grayson. »Hier sind Kopien von allem.«
    Er händigte ihm eine Akte aus. Thompson zog sich damit an einen der Tresen zurück, schlug sie auf und begann, sie durchzublättern.
    »So, meine Herren, jetzt habe ich Ihnen erzählt, was ich weiß«, sagte Backus. »Und nun wüsste ich gern, was Sie davon überzeugt hat, dass es sich nicht um einen Selbstmord

Weitere Kostenlose Bücher