Jack McEvoy 01 - Der Poet
Amherst war Lehrerin. Bledsoe sagte, er und McCafferty hätten immer gedacht, dass sie im Schulumfeld jemanden im Verdacht und beschuldigt hatte, und dann entführt, erwürgt und verstümmelt wurde, um das wahre Motiv des Verbrechens zu verschleiern.«
»Weshalb sollte es ein Kinderschänder gewesen sein?«, fragte Rachel. »Sie hätte doch ebenso gut über einen Einbrecher, einen Drogendealer oder sonst jemanden gestolpert sein können.«
»Polly Amherst hatte an dem Tag, an dem sie verschwand, nach der dritten Stunde die Aufsicht auf dem Schulhof. Die Polizei hat sämtliche Kinder befragt, die sich auf dem Hof aufhielten. Es gab eine Menge einander widersprechender Storys, aber eine Hand voll Kinder erinnerte sich an einen Mann am Zaun. Er hatte strähniges blondes Haar und eine Brille. Ein Weißer. Hört sich an, als hätte Brad mit seiner Beschreibung von Roderick Usher gar nicht so falsch gelegen. Sie haben außerdem gesagt, dieser Mann hätte eine Kamera gehabt. Das war alles, was sie an Beschreibung herausholen konnten.«
»Okay, Sheila, sonst noch etwas?«, fragte Backus.
»Das einzige Stück Beweismaterial, das bei der Toten gefunden wurde, war eine Haarsträhne. Blond gefärbt. Naturfarbe rötlich braun. Das ist im Augenblick alles. Morgen treffen wir uns wieder mit Bledsoe.«
»Okay. Und nun Chicago.«
Die restlichen Berichte enthielten nichts Bemerkenswertes, soweit es die Identifizierung des Poeten oder Material für die wachsende Datenbank über ihn anging. Sogar der Bericht aus Denver enthielt fast ausschließlich alte Informationen. Aber am Ende erzählte der Agent am Telefon, dass sie die Handschuhe, die mein Bruder getragen hatte, untersucht und im Pelzfutter des rechten Handschuhs einen Blutstropfen gefunden hatten. Der Agent fragte, ob ich immer noch bereit sei, Riley anzurufen und zu bitten, einer Exhumierung zuzustimmen. Ich antwortete nicht direkt, weil ich nur daran denken konnte, was der Hinweis auf die Hypnose für die letzten Momente im Leben meines Bruders bedeutete. Erst als er seine Frage wiederholte, sagte ich, ich würde sie am Morgen anrufen. Der Agent beendete seinen Bericht damit, dass er sagte, er habe die Abstriche vom Mund meines Bruders an das Labor in Quantico geschickt.
»Die Leute hier haben gute Arbeit geleistet, Boss, und ich glaube nicht, dass wir mehr herausbekommen werden, als sie bereits gefunden haben.«
»Und was war das?«
»Nur die Pulverrückstände, sonst nichts.«
Ich wusste nicht, was ich empfand, als ich diese Worte hörte. Ich nehme an, es war Erleichterung, aber es war noch kein Beweis dafür, dass etwas passiert war oder nicht passiert war. Und Sean war unwiderruflich tot. Ich versuchte, mich auf die Konferenzschaltung zu konzentrieren. Backus hatte Brass gebeten, alles zusammenzufassen, was sie bisher über die Opfer wussten, und mir war bereits der größte Teil ihres Berichts entgangen.
»Also gehen wir davon aus, dass keinerlei Zusammenhänge bestanden haben«, sagte sie gerade. »Abgesehen von den Möglichkeiten, die vorhin in Florida erwähnt wurden, bin ich der Ansicht, dass sie zufällig ausgewählt wurden. Sie haben einander nicht gekannt, sie haben nie zusammen gearbeitet, und die Wege der sechs haben sich nie gekreuzt. Wir haben herausgefunden, dass vier von ihnen vor vier Jahren ein vom FBI gesponsertes Mord-Ermittlungs-Seminar besucht haben, aber die anderen beiden waren nicht dabei, und wir wissen nicht einmal, ob die vier sich bei dem Seminar kennen gelernt oder miteinander gesprochen haben. All dies schließt Orsulak in Phoenix übrigens nicht ein. Wir hatten noch nicht die Zeit, uns mit ihm zu beschäftigen.«
»Also, wenn es keine Zusammenhänge gibt, müssen wir dann davon ausgehen, dass der Täter sich einfach deshalb für sie entschieden hat, weil sie den Köder schluckten?«, fragte Rachel.
»Ich glaube, das ist der Fall.«
»Also wartet er ab und passt auf und sieht sein Opfer zum ersten Mal nach dem Köder-Mord?«
»Auch richtig. Über all diese ersten Morde wurde in den lokalen Medien ausführlich berichtet. Durchaus möglich, dass er jeden dieser Detectives zum ersten Mal im Fernsehen oder auf einem Zeitungsfoto gesehen hat.«
»Subjektive körperliche Anziehung spielt keine Rolle?«
»Nein. Er nimmt einfach den, der den Fall bekommt. Der leitende Detective wird zum Opfer. Das bedeutet jedoch nicht, dass er nicht später womöglich feststellt, dass eines oder mehrere dieser Opfer eine größere Anziehungskraft auf
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