Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
wir ihn jetzt verloren haben. Dass er jetzt untertaucht.«
    Ambivalenz bestimmte jenen Abend. Da wir uns nicht entscheiden konnten, wo oder was wir essen wollten, begnügten wir uns mit dem Hotelrestaurant. Das Essen war zufrieden stellend, und wir teilten uns eine Flasche hervorragenden Buehler Cabernet. Ich sagte ihr, sie brauche sich wegen der von der Regierung bewilligten Tagesspesen keine Sorgen zu machen. Die Zeitung würde zahlen. Nachdem ich ihr das gesagt hatte, bestellte sie flambierte Kirschen auf Vanilleeis zum Nachtisch.
    »Ich habe das Gefühl, dass Sie wesentlich glücklicher wären, wenn es in der Welt keine freien Medien gäbe«, sagte ich schließlich. Die Auswirkungen des CNN-Berichts waren während des Essens unser Hauptthema gewesen.
    »Durchaus nicht. Ich respektiere die Medien als Notwendigkeit in einer freien Gesellschaft. Was ich nicht respektiere, ist die Unverantwortlichkeit, mit der sie viele Fälle behandeln.«
    »Was war an diesem Bericht denn jetzt unverantwortlich?«
    »Mich ärgert, dass sie die Aufnahmen gebracht haben, ohne sich zu fragen, welche Auswirkungen dies haben könnte. Ich wünsche mir manchmal, die Medien würden sich zurückhalten und dann die komplexere Story bringen, anstatt Befriedigung in kleineren Sensationsmeldungen zu suchen.«
    »Nun, das ist immerhin nicht jedes Mal so. Ich habe euch zum Beispiel nicht ans Messer geliefert. Ich habe mich für die größere Story entschieden.«
    »Oh, wie nobel, wenn es aus dem Mund von jemandem kommt, der sich seinen Zugang zu diesen Ermittlungen erpresst hat.«
    Sie lächelte, und ich auch.
    Schließlich sagte sie: »Können wir mal über etwas anderes reden? Ich habe all das gründlich satt. Ich würde es mir am liebsten gemütlich machen und die ganze Geschichte eine Weile vergessen.«
    Da war es wieder. Die Wahl ihrer Worte, die Art, wie sie mich anschaute, während sie sie aussprach. Deutete ich sie richtig, oder las ich in ihnen nur, was ich mir wünschte?
    »Okay, vergessen wir den Poeten«, sagte ich. »Lassen Sie uns über Sie reden.«
    »Über mich? Was gibt es über mich zu reden?«
    »Diese Geschichte mit Thorson gleicht einer Sitcom im Fernsehen.«
    »Das ist privat.«
    »Nicht, wenn ihr euch ständig mit Blicken erdolcht, und Sie versuchen, Backus dazu zu bringen, ihn aus dem Fall herauszuhalten.«
    »Ich will ihn nicht aus dem Fall raushalten. Ich will nur meine Ruhe vor ihm haben, und ich will nicht, dass er hierher kommt. Er findet immer einen Weg, sich einzuschleichen, und dann versucht er, das Kommando zu übernehmen. Sie werden es erleben.«
    »Wie lange waren Sie verheiratet?«
    »Fünfzehn grandiose Monate.«
    »Und wann war es zu Ende?«
    »Vor drei Jahren.«
    »Das ist eine lange Zeit für anhaltende Feindseligkeiten.«
    »Ich möchte nicht darüber reden.«
    Aber ich hatte das Gefühl, dass sie es im Grunde doch wollte. Ich ließ ein wenig Zeit verstreichen. Der Kellner kam und füllte unsere Kaffeetassen wieder auf.
    »Was ist passiert?«, fragte ich dann leise. »Sie haben es nicht verdient, unglücklich zu sein.«
    Sie streckte die Hand aus und zupfte sanft an meinem Bart,
    die erste Berührung, seit sie in Washington mein Gesicht ins Bett gerammt hatte.
    »Nett von Ihnen, das zu sagen.« Sie schüttelte den Kopf. »Es war einfach für beide die falsche Entscheidung. Heute weiß ich nicht einmal mehr, wie wir uns gegenseitig gesehen haben. Es hat einfach nicht funktioniert.«
    »Wie kam das?«
    »Einfach so. Es war eine Einfach-so-Sache. Ich sagte es schon, wir schleppten beide eine Menge Gepäck mit uns herum. Seines war schwerer. Er trug eine Maske, und ich habe die Wut, die dahinter steckte, erst gesehen, als es zu spät war. Danach machte ich mich aus dem Staub, so schnell ich konnte.«
    »Worüber war er so wütend?«
    »Über eine Menge Dinge. Über andere Frauen, Beziehungen. Ich war seine zweite gescheiterte Ehe. Über den Job. Manchmal brach sie hervor wie ein Großfeuer.«
    »Hat er Sie je geschlagen?«
    »Nein. Dafür bin ich nicht lange genug bei ihm geblieben.«
    »Und er ist immer noch scharf auf Sie.«
    »Wenn Sie das glauben, sind Sie verrückt.«
    »Aber irgendetwas ist da noch.«
    »Das Einzige, was er in Bezug auf mich empfindet, ist das Verlangen, mich unglücklich zu sehen. Er will es mir heimzahlen, weil er glaubt, dass ich schuld bin an der missglückten Ehe, seinem schlechten Leben, an allem.«
    »Wie kommt es, dass ein solcher Mensch seinen Job behält?«
    »Ich sagte es

Weitere Kostenlose Bücher