Jack McEvoy 01 - Der Poet
für Notfälle immer eines dabei«, sagte sie mit einem Lächeln in der Stimme.
Danach liebten wir uns. Im Schatten des Zimmers, langsam, lächelnd. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, kommt es mir wie ein wunderbarer Moment vor, wie die erotischste und leidenschaftlichste Stunde meines Lebens. Aber ich weiß, dass wir beide sehr nervös waren, uns zu sehr bemühten, den anderen zu befriedigen, und uns damit vielleicht des wahren Genusses beraubten. Ich hatte das Gefühl, dass Rachel sich nach der Intimität des Aktes sehnte, nicht so sehr nach dem sinnlichen Genuss als vielmehr nach der Nähe zu einem anderen Menschen. Bei mir war es ebenso, aber ich verspürte auch ein tiefes, lustvolles Verlangen nach ihrem Körper. Sie hatte kleine Brüste mit großen, dunklen Höfen, einen schönen, rundlichen Bauch mit weichem Haar darunter. Als wir unseren gemeinsamen Rhythmus fanden, rötete sich ihr Gesicht und wurde warm. Sie war wunderschön, und ich sagte es ihr. Ich vergrub mein Gesicht in ihrem Haar und roch den Duft von Äpfeln.
Hinterher drehte sie sich auf den Bauch, und ich streichelte ihr sanft über den Rücken.
»Ich möchte, dass du hier bleibst«, sagte ich.
Sie antwortete nicht, aber das war okay. Ich wusste, dass die vergangene Stunde echt gewesen war.
Sie drehte sich langsam um und setzte sich auf.
»Was hast du?«
»Ich kann nicht bleiben. Ich täte es gern, aber es geht nicht. Ich muss morgen früh in meinem eigenen Zimmer sein, falls Bob anruft. Er will vor dem Treffen mit der hiesigen Polizei mit mir sprechen, und er hat gesagt, er würde anrufen.«
Enttäuscht schaute ich zu, wie sie sich anzog. Sie bewegte sich geschickt in der Dunkelheit. Als sie fertig war, beugte sie sich zu mir nieder und gab mir einen leichten Kuss auf die Lippen.
»Schlaf gut.«
»Das werde ich. Und du auch.«
Doch ich konnte nicht schlafen. Ich fühlte mich zu wohl. Ich fühlte mich meiner selbst wieder sicher, verspürte ein unerklärliches Glücksgefühl. Jeden Tag bekämpft man den Tod mit dem Leben, und was gibt es im Leben Vitaleres als den körperlichen Akt der Liebe? Mein Bruder und alles, was passiert war, schienen weit weg zu sein.
Ich rollte mich zur Bettkante und griff nach dem Telefon. Ich war so von mir selbst erfüllt, dass ich sie an diesen Gedanken teilhaben lassen wollte. Aber nach achtmaligem Läuten hatte sie den Hörer immer noch nicht abgenommen, und die Telefonistin meldete sich.
»Sind Sie sicher, dass das Rachel Wallings Zimmer war?«
»Ja, Sir. Dreieinundzwanzig. Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?«
»Nein, danke.«
Ich setzte mich auf und machte Licht. Dann schaltete ich den Fernseher ein und zappte ein paar Minuten durch die Kanäle, ohne richtig hinzusehen. Ich wählte ihre Nummer noch einmal. Sie meldete sich nicht.
Ich zog mich an und redete mir ein, dass ich eine Cola wollte. Ich nahm Kleingeld und meine Schlüsselkarte von der Kommode und ging den Korridor entlang zu einer Nische, in der die Automaten standen. Auf dem Rückweg blieb ich vor 321 stehen und lauschte an der Tür. Ich hörte nichts. Ich klopfte leise an und wartete. Klopfte abermals. Sie meldete sich nicht.
An meiner Tür versuchte ich, mit der Cola in der Hand den Knauf zu drehen. Es ging nicht. Schließlich stellte ich die Dose auf den Boden und öffnete gerade die Tür, als ich Schritte hörte. Ich drehte mich um und sah, dass ein Mann den Korridor entlang auf mich zukam. Die Beleuchtung war um diese Uhrzeit gedämpft. Es war ein großer Mann, und ich erkannte, dass er etwas in der Hand trug. Vielleicht eine Tüte. Er war noch drei Meter entfernt.
»Hallo, Sportsfreund.«
Thorson. Seine Stimme jagte mir einen Schrecken ein, und ich glaube, er sah es meinem Gesicht an.
Ich hörte ihn leise kichern, als er an mir vorbeiging.
»Angenehme Träume.«
Ich sagte nichts. Ich hob die Dose auf und schob mich langsam in mein Zimmer, um Thorson noch eine Weile beobachten zu können. Er passierte Zimmer 321 ohne jedes Zögern und blieb vor einer Tür ein Stück weiter entfernt stehen. Während er sie öffnete, schaute er den Korridor entlang zu mir zurück. Unsere Blicke trafen sich für einen Augenblick, dann verschwand ich wortlos in meinem Zimmer.
28
Gladden wünschte sich, Darlene gefragt zu haben, wo die Fernbedienung war, bevor er sie umbrachte. Es ärgerte ihn, dass er aufstehen musste, um die Kanäle zu wechseln. Sämtliche Fernsehsender von Los Angeles hatten die Artikel in der Times aufgegriffen. Aber er
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