Jack McEvoy 01 - Der Poet
mit lauter Stimme. »Wir haben diesen Kerl bereits überprüft. Sie sind nicht der Erste, der uns damit kommt, McEvoy. Wir haben Gladden überprüft, und er ist nicht der Täter, okay? Wir sind schließlich nicht dämlich. Und jetzt lassen Sie die Finger davon und sehen zu, dass Sie nach Denver zurückkommen. Wenn wir den Kerl geschnappt haben, werden Sie es erfahren.«
»Was soll das heißen, Sie haben Gladden überprüft?«
»Das geht Sie nichts an. Wir haben alle Hände voll zu tun, und Sie sind nicht mehr dabei. Sie sind draußen, und Sie bleiben draußen. Und wählen Sie nicht mehr die Piepser-Nummer. Wie ich bereits sagte - es wird allmählich lästig.«
Er legte auf, bevor ich ein weiteres Wort sagen konnte. Ich knallte den Hörer auf die Gabel. Ich war versucht, Rachel sofort abermals anzupiepsen, überlegte es mir dann aber anders. Ich fragte mich, was sie gerade tat und was sie veranlasst haben könnte, Thorson bei mir anrufen zu lassen, anstatt es selbst zu tun. In meinem Kopf breiteten sich niederschmetternde Gedanken aus. Hatte sie lediglich bei mir den Babysitter gespielt? Mich beobachtet, während ich sie beobachtete? War bei ihr alles nur Show gewesen?
Ich schob diese Gedanken beiseite. Die Antworten darauf würde ich erst bekommen, wenn ich mit ihr redete. Ich musste mich davor hüten, die Eindrücke, die ich aus Thorsons Bemerkungen gewonnen hatte, für sich sprechen zu lassen. Stattdessen begann ich zu analysieren, was Thorson mir erzählt hatte. Er hatte gesagt, Rachel könnte mich nicht anrufen. Sie sei zu beschäftigt. Was konnte das bedeuten? Hatten sie einen Verdächtigen festgenommen, und sie, als leitende Ermittlerin, führte das Verhör? Wurde der Verdächtige überwacht?
Es war mir unmöglich, alle Nuancen der Information auszuloten. Ich hörte auf, nach einem tieferen Sinn zu suchen, und dachte über Thorsons Reaktion auf meine Erwähnung von William Gladden nach. Der Name hatte bei ihm keinerlei Überraschung ausgelöst. Doch als ich mir das Gespräch noch einmal durch den Kopf gehen ließ, begriff ich, dass Thorson auf jeden Fall so reagiert hätte, ganz gleich, ob ich in Bezug auf Gladden Recht hatte oder nicht.
Der nächste Gedanke, auf den ich mich konzentrierte, war die Möglichkeit, dass ich in Bezug auf Gladden die richtigen Schlüsse gezogen hatte und dass das FBI vielleicht einen Fehler machte, indem es ihn als Verdächtigen ausschied. Wenn das der Fall war, schwebte der Detective in Los Angeles in Gefahr und wusste es nicht einmal.
Es kostete mich zwei Anrufe bei der Polizei von Los Angeles, bis ich die Nummer von Detective Thomas bei der Hollywood Division erfahren hatte. Aber unter seiner Nummer meldete sich niemand, und der Anruf wurde auf das Bereitschaftszimmer umgeleitet. Der Dienst habende Polizist teilte mir mit, dass Thomas nicht zu erreichen sei. Er nannte keinen Grund und sagte auch nicht, wann ich ihn erreichen konnte. Ich beschloss, keine Nachricht für ihn zu hinterlassen.
Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, wanderte ich wieder einmal ein paar Minuten im Zimmer herum und dachte darüber nach, was ich als Nächstes tun sollte. Wie ich die Sache auch betrachtete, immer wieder gelangte ich zu dem gleichen Schluss. Es gab nur eine Möglichkeit - ich musste nach Los Angeles fliegen. Detective Thomas aufsuchen. Ich hatte nichts zu verlieren. Meine Artikel waren in Druck, und das FBI hatte mich entlassen. Ich tätigte einige Anrufe und buchte den nächsten Southwest-Flug von Phoenix nach Burbank, weil mir gesagt wurde, dass es von Burbank aus nach Hollywood nicht weiter sei als vom L. A. International.
An der Rezeption arbeitete der Mann, bei dem wir uns am Samstag angemeldet hatten.
»Ah, jetzt reisen Sie also auch ab.«
Ich begriff, dass er von den FBI-Leuten sprach, und nickte.
»Ja«, sagte ich. »Aber die anderen haben einen Vorsprung.«
Er lächelte.
»Ich habe Sie neulich im Fernsehen gesehen.«
Anfangs war ich verblüfft, doch dann wurde mir klar, was er meinte. Die Szene bei dem Bestattungsinstitut. Ich in einem FBI- Hemd. Jetzt begriff ich, dass der Mann mich für einen FBI- Agenten hielt. Ich machte mir nicht die Mühe, ihn zu korrigieren.
»Der Boss war nicht gerade glücklich darüber«, sagte ich.
»Damit müsst ihr nun einmal rechnen, wenn ihr plötzlich in einer Stadt aufkreuzt. Ich hoffe, Sie erwischen den Kerl.«
»Ja, das hoffen wir auch.«
Er machte sich daran, meine Rechnung auszudrucken. Er fragte, ob noch etwas dazukäme, und
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