Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
Auflage.«
    »Das würden Sie Ihrem eigenen Bruder antun?«, sagte Walling mit vor Zorn erstickter Stimme. »Der ist Ihnen wohl scheißegal, was?«
    »Rachel, bitte«, sagte Backus. »Das ist ein gutes Argument. Was wir ...«
    »Ich war der einzige Mensch, dem sein Tod nicht scheißegal war«, sagte ich. »Also versuchen Sie bitte nicht, mir Schuldgefühle aufzuhalsen. Mein Bruder bleibt tot, ob Sie diesen Kerl finden oder nicht und ob ich diese Story schreibe oder nicht.«
    »Hören Sie, Jack, wir stellen hier nicht Ihre Motive in Frage«, sagte Backus mit einer beschwichtigenden Geste. »Es sieht so aus, als hätten wir plötzlich gegnerische Positionen inne ... und das will ich nicht. Warum sagen Sie mir nicht offen heraus, was Sie wollen? Ich bin sicher, dass wir zu einer Übereinkunft kommen werden, und zwar noch bevor der Kaffee kalt ist.«
    »Ganz einfach«, sagte ich rasch. »Lassen Sie mich an Ihren Ermittlungen teilnehmen. Ich möchte kompletten Zugang als Beobachter. Dann schreibe ich kein einziges Wort, bevor wir entweder das Schwein haben oder aufgeben.«
    »Das ist Erpressung«, sagte Walling.
    »Nein, es ist die Vereinbarung, die ich anzubieten habe«, erwiderte ich. »Es ist im Grunde sogar ein Zugeständnis, weil die Story bereits steht. Darauf sitzen bleiben zu müssen läuft meinen Instinkten und meinem Job zuwider.«
    Ich sah Backus an. Rachel Walling war wütend, aber das spielte keine Rolle. Backus war derjenige, der das Sagen hatte.
    »Ich glaube nicht, dass das geht, Jack«, sagte er schließlich. »Es verstößt gegen die Vorschriften des FBI, jemanden von außen mit einzubeziehen. Außerdem könnte es gefährlich für Sie werden.«
    »Das eine ist mir so egal wie das andere. Es ist unser Deal. Sie können ihn akzeptieren oder es bleiben lassen. Rufen Sie an, wen immer Sie um Genehmigung bitten müssen. Aber unser Deal kommt so zustande oder gar nicht.«
    Backus zog seine Tasse zu sich heran und schaute in die immer noch dampfende schwarze Flüssigkeit. Bisher hatte er noch keinen Schluck getrunken.
    »Diese Entscheidung übersteigt meine Kompetenzen«, sagte er. »Ich kann Ihnen jetzt keine Antwort darauf geben.«
    »Und wann?« »Ich rufe gleich an.«
    »Was ist mit der Lagebesprechung?«
    »Die fängt nicht ohne mich an. Am besten warten Sie beide hier. Es wird nicht lange dauern.«
    Backus stand auf und schob seinen Stuhl unter den Tisch.
    »Ich fasse noch einmal zusammen«, sagte ich, bevor er ging. »Wenn ich als Beobachter zugelassen werde, schreibe ich, von zwei Vorbehalten abgesehen, nicht über den Fall, bevor wir jemanden verhaftet haben oder Sie zu dem Schluss gelangt sind, dass eine weitere Verfolgung zwecklos ist.«
    »Und was sind die Vorbehalte?«
    »Erstens, wenn Sie mich auffordern, darüber zu schreiben. Es kann sein, dass Sie diesen Kerl irgendwann mit einer Story aufscheuchen wollen. Dann schreibe ich sie. Zweitens, wenn die Story durchsickert. Wenn sie in einer anderen Zeitung oder im Fernsehen auftaucht, dann ist Schluss. Und zwar sofort. Das ist und bleibt meine Story.« Backus sah mich an und nickte.
    »Es dauert nicht lange.«
    Nachdem er gegangen war, sagte Walling leise: »Ich hätte Ihren Bluff sofort durchschaut.«
    »Das war kein Bluff«, sagte ich. »Das war echt.«
    »Wenn Sie wirklich die Verfolgung des Kerls, der Ihren Bruder umgebracht hat, für eine Story einhandeln wollen, dann tun Sie mir sehr leid. Ich hole noch Kaffee.« Sie stand auf und machte sich auf den Weg zum Tresen. Meine Gedanken wanderten von dem, was sie gesagt hatte, zu den Zeilen von Poe, die ich am Vorabend gelesen hatte und die mir seither nicht mehr aus dem Kopf gegangen waren.
    Ich weilt’ allein
    in einer Welt voll Pein
    und meine Seele war ein regloses Meer.
22
    Als ich mit Backus und Walling den Konferenzraum betrat, in dem die Lagebesprechung stattfinden sollte, waren nur noch wenige Stühle leer. Die Agenten hatten um einen langen Tisch herum Platz genommen. Zusätzlich stand noch eine Reihe von Stühlen an den Wänden entlang. Backus signalisierte mir, dass ich mich dorthin setzen sollte. Er und Walling begaben sich zu den letzten beiden freien Stühlen am Kopfende des Tisches. Sie waren offensichtlich für sie reserviert worden. Ich spürte eine Menge Blicke auf mir ruhen, deshalb bückte ich mich und hantierte an meiner Computertasche herum, damit ich ihrer Anstarrerei entging. Backus war auf den Deal eingegangen. Besser gesagt, derjenige, den er angerufen hatte, war darauf

Weitere Kostenlose Bücher