Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
er war sogar schon vor der Geschichte mit Lilly Quinlan durch andere Dinge davon abgehalten worden.
»Sie sind hier drinnen. Ich wollte sie mir eigentlich heute noch ansehen oder morgen noch mal reinkommen.«
Es wäre gegen die betrieblichen Bestimmungen gewesen, die Unterlagen zur Durchsicht mit nach Hause zu nehmen.
Condon nickte zustimmend.
»Na, dann ist ja alles bestens. Und sonst auch alles okay? Kommst du klar?«
»Meinst du, wegen Nicki und allem?«
Charlie nickte.
»Es geht so. Ich versuche, mich auf andere Dinge zu konzentrieren.«
»Wie das Labor, hoffe ich.«
Pierce lehnte sich in seinen Sessel zurück, breitete die Hände aus und lächelte. Er hätte gern gewusst, wie viel Monica Charlie Condon erzählt hatte, als er in seiner Wohnung angerufen hatte.
»Wie du siehst, bin ich hier.«
»Na, wunderbar.«
»Übrigens, Nicole hat uns noch eine neue Zeitungsmeldung über den Tagawa-Deal in die Bronson-Akte gelegt. Die Medien haben inzwischen Wind davon bekommen.«
»Irgendwas Neues?«
»Nichts, was wir nicht schon wissen. Elliot hat auch das Biothema angeschnitten. Sehr allgemein zwar, aber man weiß ja nie. Vielleicht hat er etwas von Proteus mitgekriegt.«
Als er das sagte, schaute Pierce an Condon vorbei auf das gerahmte Filmplakat an der Wand neben der Tür. Es war das Plakat des Films Die fantastische Reise aus dem Jahr 1966. Darauf war das weiße Unterseeboot Proteus auf seiner Fahrt durch ein buntes Meer aus Körperflüssigkeiten abgebildet. Es war ein Originalplakat. Er hatte es von Cody Zeller bekommen, der es bei einer Internetauktion von Hollywood-Memorabilien ersteigert hatte.
»Elliot redet bekanntlich gern«, sagte Condon. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er etwas über Proteus weiß. Aber in zehn Tagen wird er etwas darüber wissen. Und er wird ganz schön Augen machen. Und bei Tagawa werden sie wissen, dass sie aufs falsche Pferd gesetzt haben.«
»Yeah, das hoffe ich.«
Auch sie hatten zu Beginn des Jahres mit Tagawa einen kleinen Flirt gehabt. Aber das japanische Unternehmen hatte für sein Geld einen zu großen Anteil an der Firma gefordert, und die Verhandlungen waren frühzeitig abgebrochen worden. Obwohl Proteus bei den ersten Treffen zur Sprache gekommen war, hatten sie die Leute von Tagawa nie in vollem Umfang eingeweiht oder auch nur in die Nähe des Labors gelassen. Jetzt begann Pierce sich aber doch Gedanken zu machen, wie viel genau sie über das Projekt herausgerückt hatten, denn es war anzunehmen, dass diese Informationen an Tagawas neuen Partner Elliot Bronson weitergegeben würden.
»Sag mir Bescheid, wenn du etwas brauchst«, sagte Condon. »Ich werde mich darum kümmern.«
Das riss Pierce aus seinen Gedanken.
»Danke, Charlie. Fährst du jetzt wieder nach Hause?«
»Wahrscheinlich. Melissa und ich gehen heute Abend ins Jar essen. Hast du Lust mitzukommen? Ich könnte anrufen und einen dritten Platz reservieren.«
»Das ist sehr nett. Aber nein, danke. Ich kriege heute meine Möbel und werde wahrscheinlich meine Wohnung einrichten.«
Charlie nickte und zögerte kurz, bevor er die nächste Frage stellte.
»Du wirst eine neue Telefonnummer beantragen?«
»Ja, das wird sich wahrscheinlich nicht vermeiden lassen. Gleich Montagmorgen. Hat Monica dir alles erzählt, hm?«
»Ein bisschen. Sie sagte, du hättest die alte Nummer einer Prostituierten gekriegt, und deshalb rufen jetzt ständig irgendwelche Typen an.«
»Sie ist ein Callgirl, keine Prostituierte.«
»Ich wusste gar nicht, dass da ein Unterschied ist.«
Pierce konnte kaum glauben, dass er eine Frau verteidigt hatte, die er gar nicht kannte. Er spürte, wie er rot wurde.
»Wahrscheinlich gibt es auch keinen. Jedenfalls, wenn wir uns Montag sehen, gebe ich dir meine neue Nummer, ja? Aber jetzt möchte ich hier endlich fertig werden, damit ich ins Labor gehen und noch was tun kann.«
»Alles klar. Dann bis Montag.«
Condon ging, und als Pierce sicher war, dass er am Ende des Flurs war, stand er auf und schloss die Tür. Er fragte sich, wie viel Monica ihm sonst noch erzählt hatte und ob sie wegen seiner Aktivitäten Alarm schlug. Er überlegte, ob er sie anrufen sollte, beschloss dann aber, zu warten und später persönlich mit ihr darüber zu sprechen.
Er nahm sich wieder Lillys Adressbuch vor und begann darin zu blättern. Ziemlich weit hinten stieß er auf einen Eintrag, der ihm vorher nicht aufgefallen war. Er bestand aus der Abkürzung USC und einer Nummer. Pierce dachte an das
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