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Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Titel: Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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genommen hatte, die entweder eine zu große Handtasche oder eine zu kleine Aktentasche war. Ihr ganzes Auftreten strahlte kostspielige Zuversicht aus. Als Pierce mit seiner Geschichte zu Ende war, stellte sie ihm als Erstes ein paar Fragen zu dem Punkt seines Gesprächs mit Renner, an dem ihm der Detective ein Eingeständnis unterstellt hatte. Sie wollte wissen, in welchem Ton das Gespräch an dieser Stelle geführt worden war, welche Medikamente er zu diesem Zeitpunkt eingenommen hatte und welche negativen Auswirkungen des Überfalls und der Operation sich bemerkbar gemacht hatten. Dann fragte sie ihn ganz direkt, was er mit der Bemerkung, es sei seine Schuld, gemeint hatte.
    »Damit habe ich meine Schwester Isabelle gemeint.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Sie ist gestorben. Aber das ist schon eine Weile her.«
    »Kommen Sie, Henry, machen Sie es nicht so spannend. Ich würde gern mehr darüber wissen.«
    Jetzt zuckte er die Achseln, und seine Schultern und Rippen taten ihm weh.
    »Sie ist von zu Hause weggelaufen, als wir Teenager waren. Dann wurde sie umgebracht … von einem Kerl, der eine Menge Leute umgebracht hatte. Mädchen, die er in Hollywood aufgabelte. Dann wurde er von der Polizei erschossen und … und damit hatte es sich.«
    »Ein Serienkiller … wann war das?«
    »In den achtziger Jahren. Sie nannten ihn den Dollmaker. Sie kriegen doch alle solche Namen von den Zeitungen. Zumindest damals war das so.«
    Er konnte sehen, wie Langwiser ihr zeitgeschichtliches Wissen abfragte.
    »Ich erinnere mich an den Dollmaker. Ich habe damals an der UCLA Jura studiert. Später hab ich den Detective kennen gelernt, der ihn erschossen hat. Er hat dieses Jahr seinen Abschied genommen.«
    Mit der Erinnerung schienen ihre Gedanken abzuschweifen, aber dann kam sie wieder zurück.
    »Okay. Wie haben Sie das mit Lilly Quinlan durcheinander gebracht, während Sie mit Detective Renner gesprochen haben?«
    »Na ja, ich habe in letzter Zeit ziemlich viel an meine Schwester gedacht. Seit dieser Geschichte mit Lilly. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum ich getan habe, was ich getan habe.«
    »Wollen Sie damit sagen, Sie glauben, für das Schicksal Ihrer Schwester verantwortlich zu sein? Wie kann das sein, Henry?«
    Pierce wartete eine Weile, bevor er antwortete. Er setzte die Geschichte im Kopf sorgfältig zusammen. Nicht die ganze Geschichte. Nur den Teil, den er ihr erzählen wollte. Den Teil, den er einem Fremden nie erzählen würde, sparte er aus.
    »Mein Stiefvater und ich, wir fuhren regelmäßig in die Stadt. Wir wohnten im Valley, und wir fuhren immer nach Hollywood, um dort nach ihr zu suchen. Nachts. Manchmal auch tagsüber, aber meistens nachts.«
    Pierce schaute beim Sprechen auf den leeren Bildschirm des Fernsehers an der Wand. Es war, als sähe er alles auf dem Bildschirm und erzählte ihr die Handlung.
    »Ich zog mir alte Sachen an, damit ich wie sie aussah – wie eins von den Straßenkindern. Mein Stiefvater schickte mich in die Häuser rein, in denen sich die Kids versteckten und schliefen, in denen sie für Geld Geschlechtsverkehr hatten oder Drogen nahmen. Jedenfalls …«
    »Warum Sie? Warum ging Ihr Stiefvater nicht selber rein?«
    »Damals sagte er, es wäre, weil ich als Jugendlicher weniger auffallen würde und von den anderen akzeptiert würde. Wenn in einem dieser Häuser ein Erwachsener aufgetaucht wäre, wären wahrscheinlich alle abgehauen. Dann hätten wir sie nie erwischt.«
    Er hörte zu reden auf, und zunächst wartete Langwiser, aber dann musste sie ihm doch auf die Sprünge helfen.
    »Sie sagten, das hätte er Ihnen damals als Grund genannt. Was hat er später gesagt?«
    Pierce schüttelte den Kopf. Sie war gut. Sie hatte auf die Feinheiten Acht gegeben, wie er die Geschichte erzählte.
    »Nichts. Es ist nur so, dass … ich glaube … ich denke, sie ist nicht ohne Grund ausgerissen. Die Polizei sagte, sie hätte Drogen genommen, aber ich glaube, damit hat sie erst später angefangen. Nachdem sie von zu Hause weggelaufen war.«
    »Sie glauben, Ihr Stiefvater war der Grund dafür, dass sie weggelaufen ist.«
    Sie sagte es wie eine Feststellung, und er nickte kaum merklich. Er dachte an das, was Lilly Quinlans Mutter über die Gemeinsamkeiten zwischen ihrer Tochter und der Frau gesagt hatte, die sie als Robin kannte.
    »Was hat er ihr getan?«
    »Das weiß ich nicht, und es spielt jetzt auch keine Rolle mehr.«
    »Warum haben Sie dann zu Renner gesagt, es wäre Ihre Schuld? Warum

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