Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Titel: Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
haben.«
    Renner nickte.
    »Dann würde ich Ihnen schon mal raten, sich einen guten zu nehmen.«
    Er griff nach einer Ablage mit allen möglichen medizinischen Gerätschaften und Medikamenten und nahm einen Hut, den Pierce bisher nicht bemerkt hatte. Es war ein brauner Porkpie Hat, ein runder, niedriger Filzhut mit nach unten gebogener Krempe. Pierce dachte, solche Hüte trüge in L. A. schon lange niemand mehr. Niemand. Renner verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.

 
     
     
     
     
     
     
     
     
    23
    Eine Weile saß Pierce reglos da und dachte über das Dilemma nach, in dem er sich befand. Er fragte sich, in welchem Umfang Renners Ankündigung, zur Staatsanwaltschaft zu gehen, eine Drohung war und in welchem Umfang sie ernst gemeint war. Er schüttelte sich von den Gedanken frei und sah sich nach einem Telefon um. Auf dem Beistelltisch war keines, aber am Geländer des Betts waren alle möglichen Knöpfe, um die Matratze zu verstellen und den an der Wand angebrachten Fernseher zu bedienen. Er entdeckte ein Telefon, das am rechten Seitengeländer festgeklinkt war. In einer Plastiktasche daneben fand er einen kleinen Handspiegel. Er hielt ihn hoch und betrachtete zum ersten Mal sein Gesicht.
    Er hatte Schlimmeres erwartet. Als er die Wunde kurz nach dem Angriff mit den Fingern betastet hatte, war es ihm so vorgekommen, als wäre sein Gesicht weit aufgeplatzt und eine breite Narbe unausweichlich. Damals hatte ihm das nichts ausgemacht, weil er froh gewesen war, überhaupt am Leben geblieben zu sein. Jetzt machte er sich deswegen etwas mehr Sorgen. Er sah, dass die Schwellungen in seinem Gesicht stark zurückgegangen waren. Um die Augenwinkel und im unteren Nasenbereich war er noch etwas aufgedunsen. In beiden Nasenlöchern steckte Gaze. Unter beiden Augen waren dunkelviolette Verfärbungen. Die Hornhaut des linken Auges war auf einer Seite der Iris blutunterlaufen. Und über seine Nase verliefen die extrem feinen Spuren der Mikronähte.
    Die Stiche bildeten ein K, dessen senkrechte Linie auf dem Nasenrücken verlief; der untere Schrägstrich endete unter dem linken Auge, der obere führte zur Braue hoch. Um die Wunde besser nähen zu können, war die linke Augenbraue zur Hälfte wegrasiert worden, und das, fand Pierce, war wahrscheinlich das Ungewöhnlichste an seinem ganzen Gesicht, das er im Spiegel sehen konnte.
    Als er den Spiegel beiseite legte, merkte er, dass er lächelte. Sein Gesicht war fast zerstört. Da war ein LAPD-Detective, der ihn wegen eines Verbrechens, das er entdeckt, aber nicht begangen hatte, ins Gefängnis bringen wollte. Da war ein digitaler Zuhälter mit einem dressierten Gorilla, der eine sehr reale und konkrete Bedrohung war, nicht nur für ihn, sondern auch für andere, die ihm nahe standen. Trotzdem saß er lächelnd im Bett.
    Er verstand es nicht, aber er wusste, es hatte etwas mit dem zu tun, was er im Spiegel gesehen hatte. Er hatte überlebt, und sein Gesicht zeigte, wie knapp er davongekommen war. Das war die Ursache seiner Erleichterung und dieses deplatzierten Lächelns.
    Er griff nach dem Telefon und meldete ein Gespräch mit Jacob Kaz an, dem Patentanwalt der Firma. Er wurde sofort zu ihm durchgestellt.
    »Henry, alles Ordnung bei Ihnen? Ich habe gehört, Sie wurden überfallen oder so was. Was –«
    »Das ist eine lange Geschichte, Jacob. Ich werde sie Ihnen später erzählen. Was ich im Moment von Ihnen brauche, ist ein Name. Ich brauche einen Anwalt. Einen Strafverteidiger. Jemand Gutes, dem es aber nicht in erster Linie darum geht, dass sein Gesicht möglichst oft im Fernsehen und sein Name möglichst oft in die Zeitung kommt.«
    Pierce war sich darüber im Klaren, dass er nach etwas fragte, was in Los Angeles eine Seltenheit war. Aber diese Geschichte unter Verschluss zu halten war genauso wichtig, wie sich erfolgreich gegen eine mögliche Mordanklage zu verteidigen. Die Sache musste rasch und diskret angepackt werden, sonst würden aus den umfallenden Dominosteinen, die sich Pierce kurz zuvor vorgestellt hatte, alles zermalmende Realitätsbrocken, die sowohl ihm als auch der Firma das Genick brächen.
    Kaz räusperte sich, bevor er antwortete. Er ließ sich nicht anmerken, dass Pierces Bitte ungewöhnlich oder in ihrer beruflichen Beziehung etwas anderes als normal war.
    »Ich glaube, ich hätte da jemand für Sie«, sagte er. »Sie wird Ihnen gefallen.«

 
     
     
     
     
     
     
     
     
    24
    Am Mittwochmorgen telefonierte Pierce gerade mit Charlie Condon, als

Weitere Kostenlose Bücher